Das ist selbstverständlich
Nun liegen schon seit gut zwei Jahren fast 60 Millionen Euro für den Bau des Pina-Bausch-Zentrums an der Kluse in Elberfeld bereit. Aber gebaut wird nichts. Kein Bagger ist angerollt, kein Handwerker belebt das unter Denkmalschutz stehende Schauspielhaus.
Nichts tut sich. Gar nichts. Das kommt in Wuppertal leider schon einmal vor, wenn die öffentliche Hand sich rühren soll. Aber diesmal sitzen die Bremsklötze nicht im Barmer Rathaus, auch wenn die Idee für das Pina-Bausch-Zentrum in der Heimatstadt der großen Choreographin nicht unumstritten ist. Es gab und gibt Wuppertaler, denen sich die Kunst des Tanztheaters nicht erschließt. Das ist eigentlich kein Drama. Aber es führt dazu, dass es auch Wuppertaler gibt, die das Pina-Bausch-Zentrum nicht für notwendig halten.
Dabei hat diese Stadt derzeit kein wichtigeres Projekt in der Warteschleife, nicht die Bundesgartenschau, die vielleicht nach Wuppertal kommen soll, nicht die Seilbahn vom Döppersberg nach Küllenhahn, nicht die Verlängerung der Nordbahn- um die Schwarzbachtrasse. All diese Projekte haben womöglich das Zeug, Wuppertal weiter zu verändern. Aber keines hat die Wirkung, die das Tanzzentrum entfalten kann. Pina Bausch und ihr Werk stehen für eine Haltung. Sie stehen für Mut, Charakter, Kampfkraft und Weltoffenheit. Sie stehen für Tugenden, mit denen sich viele Städte gern schmücken, aber Wuppertal gehört zu den wenigen, die das uneingeschränkt dürfen. Deshalb muss das Zentrum errichtet werden. In Wuppertal.
Aber bei weitem nicht nur für Wuppertal. Dass Bausch an der Wupper die Basis für ihren weltweiten Erfolg legen konnte, ist im Grunde nicht mehr als Zufall. Eine junge Solingerin mit ungewöhnlich viel Talent und ungewöhnlichen Visionen traf in Wuppertal auf einen Intendanten mit ungewöhnlich viel Stehvermögen und Sympathie für Menschen mit Visionen. Das hätte ebenso in Braunschweig, Münster, Emden oder Ingolstadt geschehen können.
Deshalb ist das Pina-Bausch-Zentrum dem Grunde nach auch kein lokales Projekt. Es ist mithin nur logisch, dass der Bund und das Land NRW sich an den Umbaukosten des Schauspielhauses zum Tanzzentrum beteiligen.
Aber das ist nur der halbe Schritt. Zur zweiten Hälfte haben sich die Landes- und vor allem die Bundesregierung nicht ganz durchringen können. Ihre Zusage, sich namhaft an den Betriebskosten des Zentrums zu beteiligen, steht nun schon seit Jahren aus. Deshalb ist noch kein Bagger an die Kluse gerollt, deshalb hat kein Handwerker das schöne, leider vergammelte Schauspielhaus betreten. Das ist misslich.
Denn eine funktionierende, eine gefestigte, selbstbewusste demokratische Gesellschaft zeichnet sich auch dadurch aus, dass sie ihr historisches Versagen nie verleugnet und trotzdem in der Lage ist, ihre Helden zu ehren. Beethoven, Bach und Goethe sind Helden. Selbst Wagner gehört dazu. Und auch Pina Bausch. Als Künstlerin hat sie das klassische Ballett von den Fesseln Anmut und Grazie befreit, sie lehrte Körper sprechen und erfand das moderne Tanztheater, das kaum vier Jahrzehnte nach der Terrorherrschaft der Nazis in der Welt ein anderes Bild von Deutschland zeichnete, ein überraschendes, spannendes, liebenswertes — ein gewinnendes. Ihre Arbeit wirkte und sie wirkt noch heute. Das zeigen meterlange Schlangen an den Theaterkassen auf allen Kontinenten. Pina Bauschs Botschaft lebt.
Deshalb müssten Oberbürgermeister Andreas Mucke, Stadtkämmerer Johannes Slawig und Kulturdezernent Matthias Nocke in Düsseldorf und Berlin eigentlich nicht um dauerhafte Zuschüsse zu den Betriebskosten betteln. Die Beteiligung von Bund und Land an den Betriebskosten sollte eine Selbstverständlichkeit sein.
Nein, sie ist selbstverständlich.