Wuppertaler Kirchenkolumne Der ungekündigte Bund
Wuppertal · Kirchenkolumne von Ruth Yael Tutzinger, Ehrenvorsitzende des Gemeinderats der Jüdischen Kultusgemeinde Wuppertal
Die Entstehung unseres Universums betrachten Juden weniger als Zufall und Notwendigkeit. Sie bekennen sich zu einem Gott, der alles geschaffen hat. Da dieser Gott transzendent ist, kann man ihn nicht „gendern“. Wir Menschen können uns nur in menschlicher Sprache ausdrücken. Also bleibt es hier beim Maskulinum. Übrigens ist „Juden“ der Sammelbegriff für die Menschen, die aus allen zwölf Stämmen übriggeblieben sind. Die meisten Menschen wissen heute nicht, welchem Stamm sie zuzurechnen sind. Nur einige Leviten, die auch den Hohepriester stellten, haben ihren Stammbaum akribisch tradiert. Darum heißt der kleine, heißumkämpfte Staat „Israel“ und nicht „Judäa“. Er soll für alle Israeliten offen sein. Zurück zur Schöpfung.
Wir glauben, dass Gott sich in besonderer Weise diesem kleinen blauen Planeten zugewandt hat. Er hat einen Menschen, weiblich und männlich, geschaffen, ihm/ihr einen freien Willen gegeben und ihnen die Pflege dieses Planeten anvertraut. Ob es im Weltall noch ähnliche Phänomene gibt, haben wir trotz aller Anstrengungen noch nicht herausgefunden. Wie es mit den Menschen weiter ging, ist ziemlich bekannt. Nur muss man zur Kenntnis nehmen, dass Gott seinem Geschöpf immer wieder geholfen hat, auch wenn es noch so widerständig war. Nur zur Zeit des Noah waren die Menschen so verkommen, dass Gott sie alle bis auf die Familie Noah in der Sintflut umkommen ließ. Mit Noah schloss er dann einen Bund und er gab ihm als Stütze für ein geordnetes Leben die sieben „Noachidischen Gebote“, die für alle Nachkommen des Noah gelten bis heute. Schwerpunkte sind der Schutz des Lebens von Mensch und Tier und die Schaffung gerechter Gerichte. Leider gerieten sie sehr bald in Vergessenheit. Dennoch besteht dieser Bund bis heute. Jeder Regenbogen soll uns daran erinnern.
Den zweiten Bund schloss Gott mit Avraham. Er versprach ihm und seinen Nachkommen das Land und dass er, Avraham, ein Segen sein solle für alle Völker. Zunächst wurde Avraham der Stammvater der Israeliten und der Ismaeliten. Jizchak und Ismael waren Brüder, die unterschiedlicher nicht sein konnten. Sie haben ihren Vater, Avraham, zwar gemeinsam begraben, aber die brüderlichen Rivalitäten sind beiden Völkern geblieben und führen immer wieder zu Auseinandersetzungen und auch zu Kriegen. Das gleiche Problem taucht bei Avrahams Enkeln, den Zwillingssöhnen von Jizchak, Jakob-Israel und Esaw auf.
Gott ließ Avraham auch wissen, dass seine Nachkommen einst in einem fremden Land in eine harte Versklavung geraten würden, dass sie aber in das ihnen verheißene Land zurückkehren würden. Vielleicht war es eine erzieherische Maßnahme, denn später wurde ihnen sehr oft gesagt, sie sollten den Fremden, der bei ihnen weilt, nicht bedrücken, denn sie seien selbst einst Fremde in Ägypten gewesen. Sie mussten wissen, wie ein Fremder sich fühlt. Damals hatte Gott Erbarmen mit ihnen und befreite sie und gab ihnen Moshe und Aharon als Anführer. Kurz nach der Befreiung, noch in der Wüste, lange bevor das Volk das verheißene Land erreichte, schloss Gott einen Bund mit dem ganzen Volk und gab ihm Weisungen für ein würdiges Leben in seinem Land. Das Zeichen dieses Bundes waren die Tafeln, die Moshe später von Gott empfing. So wurden die Israeliten, lange bevor sie ihr Land erreichten, auf das Leben dort vorbereitet.
Andere Völker mussten erst einen Staat gründen und sich dann eine Ordnung mühsam erarbeiten. Doch die Israeliten machten es Moshe auf dem Weg durch die Wüste nicht leicht. Er war langmütig und sehr demütig, aber sie schafften es immer wieder, ihn zum Zorn, gar an den Rand der Verzweiflung zu bringen. Trotzdem ließ er nicht nach, sie alles zu lehren, was sie in ihrem Lande einst tun sollten. Gott hat dieses widerständige Volk immer geschützt und begleitet. Das Volk hat sein Versprechen vom Sinai: „wir wollen alles tun und hören“ unzählige Male gebrochen. Gott hat es ins Exil geschickt, aber er hat seinen Bund nie gekündigt. Es gibt viele Stellen in der Hebräischen Bibel, zum Beispiel bei den Propheten Jeshajahu, Jirmijahu, Hoshea, in denen Gottes Zorn aber auch immer wieder die Liebe zu seinem Volk beschrieben wird.
Selbst als Jesus von Nazareth vor 2000 Jahren bei seinem letzten Seder-Mal von seinem Blut des Bundes sprach, was später als „Neuer Bund“ interpretiert wurde, hat das den Bund zwischen Gott und seinem Volk nicht aufgehoben. Die Kirchen haben es viele Jahrhunderte lang so propagiert.
Inzwischen haben auch die Kirchen verstanden, dass ein Bund, den Gott geschlossen hat, für alle Zeiten gültig ist. Es liegt allerdings an uns, zu ihm umzukehren und uns seiner Liebe würdig zu erweisen. Wie sagt es der Prophet Micha: „Es ist dem Menschen gesagt, was gut ist, und was er von dir fordert, nämlich Recht zu üben und Güte zu lieben und besonnen zu wandeln mit deinem Gott“. (Micha 6.8)