Baustelle an der Gerichtsinsel Ein Blick auf die alte Färbereien in Wuppertal

Wuppertal · Archäologen dokumentieren auf der Baustelle an der Gerichtsinsel die Reste von Fabriken aus vorigen Jahrhunderten.

Sie dokumentieren die Funde auf dem Baugelände (von links): Archäologe Florian Odijk, Szymon Kargol vom Archäologieunternehmen Eggenstein Exca und Ausgrabungsleiter Sven Knippschild.

Foto: Matthi Rosenkranz

Vor der Gerichtsinsel gehen die Arbeiten für den geplanten sechsstöckige Büroneubau voran, derzeit geht es in die Tiefe. Auch Reste historischer Fabrikgebäude im Boden sind aktuell zu sehen. Sie werden bald verschwinden. Erhalten bleiben Reste älterer Gebäude direkt am Wupperarm, die bereits wieder mit Erde bedeckt sind. Sie wurden ebenso wie die jetzt sichtbaren Mauern von Archäologen ausführlich dokumentiert und werden digital aufbereitet. Denn sie erzählen von Wuppertals Geschichte als Stadt der Textilindustrie.

Und noch von einem weiteren wichtigen Industriezweig, sagt Florian Odijk, städtischer Archäologe: „Das waren die ersten Chemiebetriebe der Stadt. Wuppertal war in diesem Bereich Vorreiter für das Deutsche Reich.“ Denn auf dem Gelände an und auf der Gerichtsinsel befanden sich mehrere Färbereien.

„Im Jahr 1817 wird an dieser Stelle zum ersten Mal eine Türkischrot-Färberei Namens Johann Heinrich Neuhoff verzeichnet“, berichtet Odijk über das jetzige Baustellengelände. Die Türkischrotfärberei mit dem Farbstoff der Krapp-Pflanze war ein kompliziertes Verfahren, das in Kleinasien entstand und 1747 über Indien nach Frankreich kam. In seiner Stadtchronik „Von Bleichern, Färbern und Fabrikanten zu Richtern und Schauspielern – Zur Entwicklung des Elberfelder Ostens“ berichtet Hinrich Heyken, dass das Wissen über das Türkischrot-Verfahren um 1785 ins Wuppertal kam. Und 1817 habe es in Elberfeld schon 30 Türkischrot-Färbereien gegeben. Dazu gehörte die von Johann Heinrich Neuhoff, deren Reste jetzt auf dem Baustellengelände gefunden wurden. Sie lag an der damals noch weiter östlich liegenden Stadtgrenze Elberfelds zu Barmen.

Die Nachbarfirma war auch eine Färberei, ebenfalls 1817 gegründet von Johann Conrad Dunklenberg. Das Unternehmen war sehr erfolgreich, bald gehörten große Flächen zum Betrieb, darunter die gesamte Wupperinsel, genannt Eiland. Von der Firma Duncklenberg (jetzt mit „c“ im Namen) kaufte 1845 der Staat Preußen die östliche Hälfte des Eilands für das Landgericht. Das wurde 1854 fertig.

Auch das Grundstück des Gerichts gehörte einst zu einer Färberei

Auch Johann Heinrich Neuhoff hatte enge Verbindungen zur Firma Duncklenberg, denn er heiratete 1838 Wilhelmine Duncklenberg, die älteste Tochter des Eigentümers. In den 1880er-Jahren kaufte C.W. Piepenbrink die Färberei Neuhoff und auch das umliegende Gelände. Er stellte das Färbeverfahren auf Schwarzfärberei um, denn seit 1868 ließ sich das intensive Rot auch synthetisch herstellen. Damit wurde das alte Verfahren bald verdrängt. Die gesamte Fabrikanlage ist dann bei den Luftangriffen 1943 zerstört und nicht wieder aufgebaut worden.

Die Archäologen der Stadt haben im Vorfeld des Bauprojekts den Boden von einer Fachfirma untersuchen lassen: Erst gab es Testgrabungen, gefundene Mauern wurden ausgegraben und dokumentiert. „Wir haben hunderte von Fotos gemacht“, erklärt Florian Odijk. „Die können wir digital zu 3D-Bildern zusammensetzen und genauer untersuchen.“ Dieses Verfahren sei inzwischen genauer als Zeichnungen, aber nur in großen Grabungsstellen möglich, die das Fotografieren aus vielen Perspektiven ermöglichen.

Die jetzt sichtbaren Färberei-Relikte werden demnächst von Baggern zerströt. Aber unter anderem ein Fußboden der Türkischrot-Färberei Neuhoff am Wupperarm bleibt erhalten. „Das geplante Gebäude und vor allem die Tiefgarage wurden leicht verschoben“, so Odijk. Ein Vlies schütze die Funde, auf denen wieder Erde liegt. Die Idee dahinter: „Im Boden erhalten sich solche Funde am besten. Und spätere Generationen haben sicher noch besserer Methoden zur Erforschung.“

Dass die Funde scheinbar so tief liegen, habe seine Ursache darin, dass für den Bau der B7 der Boden aufgeschüttet wurde, um Niveauunterschiede auszugleichen, erklärt der Archäologe. Als Füllmaterial sei der Schutt des Zweiten Weltkriegs aus Elberfeld verwendet worden. „Deshalb stoßen wir in Elberfeld im Boden direkt auf das Mittelalter“, sagt er. In anderen Städten liege darüber meist der Kriegsschutt.

Die Grabungen ab vergangenem Jahr waren die ersten archäologischen Untersuchungen im Bereich des Eilands, das laut Odijk „eine sehr interessante Geschichte“ hat. Keine Spuren haben die Archäologen von der einstigen Hofstelle „Vurderhöffe zu Ibbert“ gefunden, die historische Quellen für das Jahr 1466 für diesen Bereich angeben. Gefunden wurden aber Reste der Tankstelle aus den 50er-Jahren.

Dokumentation und Auswertung der Funde erhalten die Stadt und der Landschaftsverband Rheinland. Florian Odijk hofft, dass sie ihre Erkenntnisse ebenso wie die aus dem Boden in Elberfeld künftig den Wuppertalern noch ausführlicher vorstellen können. Er erlebe immer wieder: „Das Interesse ist da.“