Gegen Kinderarmut hilft nur bezahlte Arbeit für die Eltern

In Städten mit einer hohen Erwerbslosenquote ist die Zahl der armen Jugendlichen unter 18 besonders hoch. Das gilt auch für Wuppertal.

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Wuppertal Die Zahl ist deprimierend und herausfordernd zugleich. Etwa 16 000 aller Kinder unter 18 Jahren in Wuppertal gelten als arm. So rechnet Sozialdezernent Stefan Kühn (SPD) und überbietet damit noch die offizielle Statistik. Die spricht von 28, 2 Prozent aller Kinder unter 18, Kühn glaubt, dass dieses Schicksal auf jedes 3. Kind, also 33 Prozent zutrifft. „Ich zähle noch die Kinder von Flüchtlingen hinzu, für die der Hartz IV-Satz auch noch um 15 Prozent niedriger ist. Ich zähle die Kinder hinzu, deren Eltern Arbeitslosengeld erhalten. Und ich zähle jene dazu, deren Eltern zwar arbeiten, aber so wenig verdienen, dass sie kaum über die Grundsicherung kommen.“

In derlei Statistiken liegen grundsätzlich Großstädte vorn, die im Strukturwandel sind. In NRW sind das vor allem Städte im Ruhrgebiet, aber auch die ehemalige Textilstadt Mönchengladbach und Wuppertal. Für Kühn ist das kein Wunder. „Wo die Arbeitslosenquote hoch ist, da ist auch die Zahl der Kinder in Armut hoch“, sagt er. Während in Wuppertal jeder zehnte Erwerbsfähige ohne Arbeitstelle ist, sind es in Solingen neun und in Remscheid sogar nur 8,8 Prozent. Das macht sich in dieser Frage deutlich bemerkbar.

Dabei ist arm ein relativer Begriff. Von Hartz IV-Sätzen in Deutschland könnten Menschen beispielsweise in Rumänien gut leben. „Deshalb bedeutet Armut für mich auch den Ausschluss von Chancen“, erklärt der Sozialdezernent.

Tatsächlich wissen Schulexperten, dass Kinder aus ärmeren Haushalten schlechter lernen. Die Folgen sind heute schon zum Teil dramatisch. Hagen Hintze, der Volkswirt der Industrie- und Handelskammer für das Bergische Land (IHK), kennt Zahlen, nach denen für 39 Prozent der Erstklässler Deutsch nicht die Muttersprache ist. Ein Großteil dieser Kinder ist der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig. Dass diese Kinder sehr häufig aus einem sozial schlechter gestellten Umfeld kommen, überrascht nicht. Es wirft aber ein Schlaglicht auf die Herausforderung, der sich auch Wuppertal gegenübersieht.

Im Rathaus versuchen die Stadtverwalter, darauf zu reagieren. Als Jugend- und Schuldezernent forciert Kühn den Ausbau der Kindergartenplätze und des Offenen Ganztags in Schulen. Wo Neubaugebiete geplant werden, soll es immer auch einen Kindergarten geben. Ziel: „Wir müssen erreichen, dass Familie und Beruf noch besser unter einen Hut gebracht werden können“, sagt er.

Bei Wuppertals Grünen läuft Kühn damit offene Türen ein. „Die Kinderbetreuungsplätze müssen ausgebaut werden, denn nach wie vor hat Wuppertal die rote Laterne in NRW mit den niedrigsten KiTa-Plätzen“, fordert der grüne Ratsherr Paul Yves Ramette. Außerdem spricht sich seine Partei dafür aus, dass die seit Jahren geltende Begrenzung der Zuschüsse für freie Träger der Kinder- und Jugendarbeit aufgehoben wird.

Sowohl für die Experten der IHK als auch für Stefan Kühn gibt es nur einen Weg, wie Wupertal die Armutsquote unter Kindern deutlich verbessern kann. „Wir brauchen mehr Arbeitsplätze“, sagt Kühn. Deren Zahl sei von 145 000 in den 90er Jahren auf heute 117 000 zurückgegangen. „Wenn eine Stadt keine Gewerbeflächen ausweist, können Unternehmen keine neuen Arbeitsplätze schaffen“, sagt Kühn. Er verweist auf das jüngste Positivbeispiel Ikea, wo 450 Menschen in Lohn und Brot kommen.

„Und es ist notwendig, dass der Staat größere Anstrengungen unternimmt, Kinder aus sozial schwachen Familien in Ausbildung zu bringen“, sagt der IHK-Volkskwirt Hintze.