„Hoffentlich geht es ihr gut“

In der Silvesternacht sah Martin Blömeke eine junge Frau am Brückenrand stehen. Er hielt sie fest. Jetzt fragt er sich, wie es ihr geht.

Foto: Andreas Fischer

Barmen. Er hat nicht lange nachgedacht, sondern einfach zugepackt. „Eine Hand an der Kapuze, eine am Gürtel“, Martin Blömeke (45) macht den schnellen Griff vor. Gleichzeitig habe er gesagt: „Keine Angst, ich will nichts von dir. Aber springen lasse ich dich nicht!“ Im Nachhinein wundert er sich über den Satz — vor allem, nachdem man inzwischen von den Vorfällen in Köln in der gleichen Nacht gehört hat: „Ich weiß gar nicht, wo der Satz herkam.“

Die Erlebnisse in der Silvesternacht gehen dem 45-Jährigen nicht aus dem Kopf. Er war gegen 3 Uhr nach einer Party auf dem Heimweg, näherte sich der Brücke über die Gleise. Dass sich eine junge Frau auf dem Außenrand der Bücke — jenseits des Geländers — befand, Gesicht Richtung Gleise, Arme rückwärts am Geländer, hatte er schon vorher bemerkt. Aber er dachte eher an einen gefährlichen Spaß, denn sah er eine zweite Frau auf der Brücke.

„Doch dann habe ich erkannt, dass ich die zweite Frau vorher allein vor mir hergehen gesehen hatte.“ Und er hörte, dass diese zweite Frau die Person außerhalb des Geländers ansprach: „Mach das nicht!“ Da begriff er.

Die junge Frau sei ganz ruhig geblieben, als er sie festhielt. Sie sei übers Geländer zurück auf den Gehweg geklettert. „Ich habe sie dann von der Brücke weggeführt“, berichtet Martin Blömeke. Er habe noch einen Scherz gemacht: „So eine hübsche Frau macht solche Dummheiten!“ Da habe sie schon fast gelächelt. Er habe sie noch gefragt, ob sie reden wolle, aber sie habe den Kopf geschüttelt.

Die zweite Helferin hatte ihm zugeraunt, dass die Polizei schon unterwegs sei. Tatsächlich war in kurzer Zeit ein Streifenwagen da. Als die Polizisten fragten, habe die junge Frau gleich gesagt: „Ich bin’s.“ Die Beamten hätten das Mädchen zum Wagen mitgenommen, ihre Personalien aufgenommen und den beiden Helfern gesagt: „Sie können dann gehen.“

„Wir standen etwas ratlos da“, berichtet Martin Blömeke. Sie hätten extra nachgefragt, ob sie wirklich nicht mehr gebraucht werden. Als der Polizeiwagen verschwunden war, tauschte er noch ein paar Worte mit der anderen Helferin aus. Dass dies ja ein besonderer Start ins Jahr sei. Martin Blömeke erzählte ihr, dass er genau ein Jahr zuvor von einer Tante Abschied nehmen musste, die an Neujahr starb — „nun das Gegenteil“. Dann trennten sie sich.

Das Erlebnis beschäftigt ihn seither. In der Nacht sei er noch anderthalb Stunden durch die Stadt gewandert, um wieder zur Ruhe zu kommen. In den Nachrichten kam der Vorfall nicht vor. Von der jungen Frau weiß er nichts weiter.

Die Polizei bestätigt auf WZ-Nachfrage den Einsatz, gibt aber aus Datenschutzgründen keine weiteren Informationen. Nur so viel: Die junge Frau sei ihren Erziehungsberechtigten übergeben worden. Weil keine Straftat vorgelegen habe, hätten die Beamten auch keinen Anlass gehabt, die Personalien der Zeugen aufzunehmen.

Martin Blömeke überlegt, wie lange das Mädchen wohl dort stand, ob sie wirklich gesprungen wäre. Was für ein Zufall es war, dass er vorbei kam — außer der anderen Helferin sei niemand auf der Straße gewesen. „Vielleicht war es ja auch nur eine Laune“, überlegt er, „das wäre noch das Beste. Hoffentlich geht es ihr jetzt gut.“