Intensive Gespräche auf Kurzstrecke

Jochen Rausch liest im Rahmen der Literatur Biennale aus seinen noch unveröffentlichten Taxi-Geschichten.

Intensive Gespräche auf Kurzstrecke
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Wuppertal. Jochen Rausch ist beim WDR Wellenchef von Eins live, WDR2 und WDR4, zugleich ist der Wuppertaler seit 2008, seit seinem ersten Roman „Restlicht“, auch erfolgreich als Schriftsteller. Nach Kurzgeschichten und dem Roman „Krieg“ wechselt er nun zum wahren Leben: Für sein Buch „Taxi Deutschland“, das im Januar erscheint, hat er mit Taxifahrern gesprochen und Schräges und Schicksalhaftes erfahren.

Herr Rausch, sind Taxifahrer besonders mitteilsam?
Jochen Rausch: Manche haben schon einen erhöhten Kommunikationsbedarf. Wenn man denen ein Signal gibt — „wie isset?“—, dann legen sie gleich los. Die Gespräche gehen oft erstaunlich tief, wohl weil es anonym ist. Aber manche Geschichten — bestimmt 40 Prozent — sind auch langweilig und nicht zu verwenden.

Was erzählen Sie im Taxi?
Rausch: Nichts, sonst erfahre ich in der begrenzten Zeit nichts. Das sind Kurzstrecken, man fährt ja nicht für 80 Euro Taxi.

Der Berlin-Verlag kündigt 120 Miniaturen an — wie lange haben Sie gesammelt?
Rausch: Fünf oder sechs Jahre — ich habe mir damit keinen Stress gemacht, das Projekt zwischendurch auch vergessen. Ich habe einfach gewartet, bis ich aus vielen Ecken und Mentalitäten Deutschlands etwas zusammengebracht habe.

Haben Sie die Geschichten künstlerisch umgeformt?
Rausch: Nein, es soll möglichst authentisch sein. Ich bin ein großer Fan von Walter Kempowski, der Geschichten anderer Menschen gesammelt hat. Nach der Fahrt notiere ich Stichworte in mein Telefon und schreibe die Geschichte so bald wie möglich auf. Ich habe mir aber selber den Rahmen gesteckt, dass keine länger als 90 Sekunden sein darf.

Was für Leute fahren Taxi?
Rausch: Heute sind es viele Ältere und viele Migranten. Unter anderem Iraner, die zu Khomeinis Zeiten geflüchtet sind und hier keinen adäquaten Job finden. Einer hat erzählt, dass er seine Fahrgäste manchmal fragt, ob sie Kafka kennen. Die sagen dann: „War der nicht mal Verteidiger beim FC?“

Hat sich Ihr Blick auf die Gesellschaft durch die Gespräche geändert?
Rausch: Ich finde, wir leben in Zeiten, in denen man die Ohren aufmachen muss und sich nicht nur in den angestammten Kreisen bewegen darf. Viele meiner Kollegen sind überrascht, wie viele Menschen auf einmal rechts sind — mich überrascht das nicht, seitdem ich Regionalexpress fahre.

Ist dieses Buch weniger düster als Ihre früheren?
Rausch (lacht): Tja, die Lesungen mit diesen Büchern waren tatsächlich ziemlich anstrengend, weil nie einer gelacht hat. Deshalb macht es mir jetzt sehr viel Spaß, diese Geschichten vorzustellen.