Kultur Unsere Gaben für den Aufbruch
So still waren sie noch nie, auch wenn einige die Rituale per se mit Stille verbinden. Doch nicht nur diese letzten zwei Wochen waren still und ausgebremst. Mehr als neun Monate im Jahr 2020 waren es, weiterhin schmerzhaft spürbar für Kunst und Kultur.
So still waren sie noch nie, auch wenn einige die Rituale per se mit Stille verbinden. In unterschiedlicher Couleur und mit variierender Hingabe erleben und gestalten fast alle von uns sie schon lebenslang: Weihnachten, Rauhnächte, Silvester, Neujahr und am 6. Januar der Dreikönigstag. Doch nicht nur diese letzten zwei Wochen waren still und ausgebremst. Mehr als neun Monate im Jahr 2020 waren es, weiterhin schmerzhaft spürbar für Kunst und Kultur. Am sechsten Tag im Januar wird die von der Malerin Annette Marks gestaltete Künstler-Krippe am Laurentiusplatz um 12 Uhr zum analogen und vorzugsweise digitalen Setting. Gold, Weihrauch, Myrrhe übergeben traditionell die heiligen drei Könige, begleitet von einem Segen für das kommende Jahr. Sehen wir es als Einladung, als idealen Moment, um über unsere eigenen Gaben nachzudenken. Welche Fähigkeiten wohnen in jeder, jedem von uns inne und können uns, selbstwirksam, aus der herausfordernden Pandemiesituation hinausbegleiten?
Der Jahresanfang betont das A. Abschied, Aufbruch und Agilität beginnen damit. Und hier könnten wir erfrischend anknüpfen. Wuppertal gilt als „Stadt im Aufbruch“, wie es auch im Magazin „metropolis“ mit dem Motto „Wuppertal – Voran schreiten“, erschienen im letzten Herbst, wieder deutlich wurde: Mut, Haltung, Selbermachen, Umbruch, Engagement und Innovation sind – gerade jetzt in der wohl über längere Zeit ausklingenden Pandemie – gefragt. Gaben? Nicht nur Kunstschaffende sind Expertinnen und Experten. Torsten Krug sprach in der letzten Kolumne von seiner aktuellen, von Friedrich Engels inspirierten Theaterproduktion „Ich kann des Nachts nicht schlafen vor lauter Ideen des Jahrhunderts“, die am 15. Januar in der Börse bzw. digital Premiere hat. Da schlaflose Nächte pandemiebedingt eher zunehmen, nutzen wir die Ideen, am besten auch am Tag, auch wenn es ganz aktuell noch Tagträume sein mögen.
Begegnungen, Kommunikation, Solidarität, gemeinsame Perspektiven: Viele sehnen sich nach dem Miteinander. Gerade Kunst und Kultur können für Anstehendes eine wesentliche Rolle spielen. Es gilt, die Innenstädte neu zu beleben und sich zukünftig noch mehr Raum dafür zu nehmen, ob an Häuserwänden, in Schaufenstern, auf Plätzen oder in anderen Nischen. Auszuloten bleibt, was coronabedingt möglich ist, anzufangen mit Spaziergängen oder anderen zu entdeckenden Foren, um miteinander kreativ Haltung zu zeigen.
Die Krise als Chance zu nutzen heißt auch, mit Weitblick kreativ den Klimawandel und den Schutz der Biodiversität aufzugreifen. Spürbar ist die Lage überall: Ein Neujahrsspaziergang durch Wälder an der Wuppertalsperre zeigte nicht nur erschreckend, wie niedrig der Wasserstand ist, selbst in der nassen Jahreszeit. Inspiriert von Erfahrungen in Wuppertal entsteht derzeit „Zeit für Zukunft. Inspirationen für eine klimagerechte Kulturpolitik“, eine Publikation der kulturpolitischen Gesellschaft. Ein weites Spektrum an Gaben-Potenzial entsteht: Netzwerke, Wissenstransfer, Kunstaktionen wie beispielsweise letzten Sommer das beeindruckende „Down to earth“ der Berliner Festspiele im Gropius Bau, ein vierwöchiger „Klima Kunst Diskurs unplugged“. Vom Himmel auf die Erde geholt: Wie wäre es, in unserer Stadt ein Ressort für kreative Stadtverwandlung einzurichten? Und hier – basierend auf der Aufbruchsstimmung und trotz Covid19 – all die bestehenden Potenziale, Gaben kreativer, konstruktiver, agiler und proaktiv für den jetzt noch dringlicheren Wandel für unsere Stadt und all die Menschen hier zu nutzen?