Interview Jo Ann hat gesagt: „Ich wünsch’ mir dich“

Johanna Wokalek tritt in Pina Bauschs „Macbeth“ in Wuppertal auf. Am 17. Mai ist Premiere.

Johanna Wokalek spielt zusammen mit dem Tanztheater Pina Bausch.

Foto: Schwartz, Anna (as)

Viele kennen sie als Päpstin, als RAF-Terroristin Gudrun Ensslin oder als Tiffany in „Anleitung zum Unglücklichsein“. Die Schauspielerin Johanna Wokalek lässt sich nicht festlegen – weder bei den Rollen noch bei den künstlerischen Genres. Am 17. Mai steht die 44-Jährige im Wuppertaler Opernhaus auf der Bühne. Sie ist neben Maik Solbach eine von zwei Schauspielern in Pina Bauschs Stück „Er nimmt sie an der Hand und führt sie in das Schloß, die anderen folgen“, dessen Neueinstudierung unter Leitung von Jo Ann Endicott an diesem Tag im Opernhaus in Barmen Premiere feiert. Im Gespräch mit der WZ erzählt die gebürtige Freiburgerin, wie es dazu kam und wie sie die Arbeit mit dem Tanztheater-Ensemble empfindet.

Sie sind eine Schauspielerin, die auch in anderen Genres unterwegs ist. Wo fühlen Sie sich am wohlsten?

Wokalek: Ich denke, Bühne hat immer mit dem Körper im Raum zu tun. Egal, ob im Theater oder wenn ich mit Musikern zusammenarbeite. Es geht zunächst immer um die Suche nach Ausdruck. Um das Sicht- und Spürbarmachen meiner Phantasie für die Zuschauer. Da ist der Körper sehr wichtig, ich erzähle z.B. über Körperhaltungen, Gesten, wer ich bin.

Haben Sie einen Lieblingsfilm?

Wokalek: Das ist immer schwer zu sagen. Ich fand zuletzt „Landgericht“ von Matthias Glasner sehr schön. Da gefiel mir besonders die letzte halbe Stunde des letzten Teils – die Regie und das Zusammenspiel mit Ronald Zehrfeld, das war da perfekt.

Wie ist Ihr Engagement im Tanztheater zustande gekommen?

Wokalek: Jo Ann (Endicott) hat mich gefragt, als wir uns letztes Jahr in der Opera Garnier in Paris hinter der Bühne über den Weg liefen, wo die Pariser Compagnie „Orpheus und Eurydike“ aufführte. Sie stand plötzlich vor mir, wusste sofort, wer ich bin, und fragte, ob sie meine Nummer haben könnte. Und tatsächlich kam ein halbes Jahr später der Anruf und der Wunsch, dass ich mitmache. Gerade weil mich auf der Bühne die verschiedenen Ausdrucksformen, also auch der Tanz interessieren, hatte ich erhofft, dass es mal zu so einer Begegnung kommt. Ich habe Pina Bausch nie kennengelernt, aber Fotos gesehen und mir aufgrund ihrer Ausstrahlung auf den Fotos immer gewünscht, einmal auf sie zu treffen. Dazu kam es leider nie. Hans Dieter Knebel, der ein Kollege von mir am Burgtheater ist und bei der Uraufführung des Stückes 1978 dabei war, hat mir viel von ihr erzählt. Umso glücklicher bin ich jetzt über die Begegnung mit Jo Ann und allen anderen. Die Proben mit den Tänzern sind unglaublich schön.

Was bedeutet Ihnen Shakespeare?

Wokalek: Ich habe in seinen Stücken gespielt. Er ist ein genialer Autor, ungeheuer reich. Auch wenn wir nur wenige Texte in Pina Bauschs Macbeth-Stück sprechen, spürt man sofort, wie genial, reich, tief und teilweise rätselhaft Shakespeares Texte sind.

Wie finden Sie Pina Bauschs Macbeth?

Wokalek: Was sie aus Macbeth gemacht hat, finde ich sehr spannend und aufregend. Wenn man sich überlegt, was Pina da erfunden hat, dieses Aufeinandertreffen der Tänzer mit den Schauspielern. Die Tänzer sind angehalten, mit Sprache umzugehen, so wie die Schauspieler bewusster mit dem Körper umgehen sollen. Ich habe viele Bücher über Pina Bausch gelesen. Bei Julie (Shanahan) frage ich immer wieder vieles über ihre Arbeitsweise und Herangehensweise nach. Pina Bausch selbst meinte, dass in der Folkwang Schule, wo sie lernte, sich die verschiedenen Künste offen begegnet sind, sich ausgetauscht haben. Etwas, das ich in unserer Zeit manchmal vermisse. Im Barock gab es zum Beispiel viele Stücke, wo Schauspieler auch gesungen haben. Alles war offener. Es geht ja nicht um den technisch perfekten Tänzer, sondern es geht um die Menschen, die in unserem Fall alle Macbeth oder Lady Macbeth sind, und sich in diesem Stück begegnen. Wir alle lernen neu. Jeder ist auf der Suche nach seiner Ausdrucksweise dessen, was schon einmal festgehalten wurde. Ich habe so etwas noch nie gemacht. Ich bin immer auf der Suche nach Menschen, die anders auf mich blicken und der andere oder neue Blick ermöglicht mir eine neue Erfahrung meiner selbst auf der Bühne und eben das Entdecken neuer Ausdrucksmöglichkeiten.

Inwieweit ist der Schauspieler anders gefordert?

Wokalek: Wenn man das Theater heute beobachtet, merkt man, welchen enormen Einfluss Pina Bausch hatte. Wenn ich die alten Videos sehe, finde ich das unvergleichlich toll. Man spürt, dass es ein Aufbruch war, eine Suche nach ganz Neuem. Das spürt man ganz stark in Macbeth.

Ihre Rolle hat Mechthild Großmann verkörpert – wie ist das für Sie?

Wokalek: Sie hat das damals wunderbar gemacht. Jetzt freue ich mich sehr, dass Jo Ann für die Wiederaufnahme nach so vielen Jahren gesagt hat, „ich wünsch’ mir dich“. Darum geht es. Auch Pina Bausch hat ihre Stücke immer wieder umbesetzt. Jeder bringt etwas Anderes mit, und so kann auch wieder Neues entstehen.

Wie bereiten Sie sich vor?

Wokalek: Ich lerne Texte und bereite mich wie die Tänzer vor. Wir schauen die Videos und dann probieren wir und suchen. Ich komme gerne auch schon vor den Proben in die Lichtburg und probiere für mich alleine. Später kommen Jo Ann und Hans Dieter Knebel dazu und gucken und beschreiben. Es ist wirklich ein wunderschönes, herausforderndes, gemeinsames Miteinanderarbeiten.

Wie finden Sie Wuppertal?

Wokalek: Ich reise von Köln oder Düsseldorf mit der Bahn an. Da fällt mir auf, wie schön die Landschaft ist. Ich muss mir Wuppertal noch erschließen, inzwischen war ich im Luisenviertel und im wunderschönen botanischen Garten. In Barmen ist es sehr bodenständig. Und ich finde „Alltagsstadt“, wie Pina Bausch es genannt hat, sehr treffend. Für den Film „Barfuß“ mit Til Schweiger war ich schon einmal in Wuppertal.