Kit Armstrong auf dem Weg zum Piano-Olymp
Wuppertal. Sehr kindlich sieht der schmächtige junge Mann aus, der die Bühne im Mendelssohn-Saal der Stadthalle betritt. Doch dieser Eindruck verflüchtigt sich schnell, wenn Kit Armstrong, Jahrgang 1992, beim sechsten Konzert im Bayer-Klavierzyklus in die Tasten greift.
Zwar hat er ein unspektakuläres Programm gewählt - keine Stücke, mit denen Effekte haschende Tastenlöwen glänzen wollen. Aber die dreistimmigen Bach-Inventionen zeigen geschliffenes, klares und vorwegnehmendes Spiel: Wer Bach so spielt, trainiert "cantable Art im Spiel" und bekommt "einen starken Vorgeschmack von der Composition", wie Bach selbst von seinen Inventionen sagte.
In der D-Dur-Partita stellt Armstrong die Satzcharaktere treffend heraus. Er kontrastiert etwa das zierliche Menuett anschaulich mit der im ungewöhnlichen Taktmaß geschriebenen, belebten Gigue. Folgerichtig hat Armstrong die an der Kontrapunktik Bachs geschulten "Sieben Charakterstücke op. 7" von Felix Mendelssohn-Bartholdys im Programm. Wunderbar durchsichtig gestaltet er die komplexe D-Dur-Fuge und schließt mit einem "luftig und leicht" hingetupften Presto-Satz. In den drei Stücken aus den sechs Präludien (op. 35) lässt der Pianist die romantische, die Melodie betonende Klangwelt aufschimmern, nicht ohne mit virtuoser Eindringlichkeit den barocken Formprinzipien nachzuspüren.
Auch seine Chopin-Zugaben zeigen Armstrongs künstlerische Reife: "Seine Karriere wird ihn, wenn nicht alles täuscht, auf den pianistischen Olymp führen", prophezeite sein Ziehvater, der große Pianist Alfred Brendel. Wie schön, dass die Wuppertaler Armstrong auf diesem steinigen Weg erleben durften. vp