Theater um die Fett-Röllchen

Olga Nasfeter präsentiert den Bulimie-Monolog „Fressen Lieben Kotzen“.

Wuppertal. Angewidert guckt diese Frau an sich herunter, sucht kaum sichtbare Fett-Röllchen. "Unmengen schwabbelndes Fleisch-Fett um meine Seele", ächzt sie und spuckt fast ohne Pause einen 30-minütigen Text aus. "Fressen Lieben Kotzen" heißt der Monolog von Cornelia Gellrich, in dem sie sehr lyrisch-poetisch die Nöte und Zwänge einer Bulimikerin darstellt. Es hatte am Mittwochabend im Schauspielhaus-Container in der Regie von Markus Höller Premiere.

Olga Nasfeter zupft an ihrem Oberteil und wringt die Hände, während die Worte aus ihrem Mund quellen. Hass und Ekel empfindet diese Frau, die das Essen-Müssen hinter sich lassen will. "Ich denke, man schafft alles, wenn man nur will." Sklavinnen des Essens seien die anderen. Sie hingegen hält es schon seit drei Tagen ohne Essen aus, schrubbt ihren Körper sauber, bis er rot ist und brennt.

Eigentlich könnte diese Frau zufrieden sein. Sie hat als Schauspielerin einen festen Vertrag und einen gut aussehenden Ehemann, um den sie viele andere beneiden. Doch der Wunsch auf die "4" vorne auf der Waage übertrumpft alles. Wie festgeklebt sitzt Nasfeter an der Wand, verdeutlicht den Text nur mit wenigen Gesten.

Dem Hungern folgt die Fressattacke. Zwei Pizzen, Lasagne, Weißbrot, Würste, Käse, Obst, Gemüse, Fisch und Mozzarella stopft sie in sich hinein. "Einfach nur zuschütten", befiehlt ihr Körper. Und dann alles wieder loswerden. Sorgfältig wird der Platz an der Toilette vorbereitet, das viel erprobte Geschehen nimmt seinen Lauf, bis Leib und Seele schwindeln. Besser fühlt sich die Frau trotzdem nicht. Nur Scham über das eigene Versagen macht sich in ihr breit.

Der Container ist ausverkauft, für viele im Publikum ist das Thema offensichtlich nicht neu. Nach einer kleinen Pause diskutiert Stephan Rolf vom Sozialpsychologischen Zentrum Wuppertal mit den Zuschauern das Stück. "Es spiegelt ganz deutlich die Schwerenöte und inneren Konflikte", lobt eine Zuschauerin.

Andere wollen Informationen zur Krankheit. "Die Heilungschance liegt bei 80 Prozent", sagt Rolf und erklärt, dass viele Betroffene in behüteten Familien mit starkem Machtgefälle aufwachsen. "Sie haben große Probleme, zufrieden zu sein im Leben."

Das Stück, das überall gespielt werden kann, soll auch in Selbsthilfekreisen oder Beratungszentren gezeigt werden. Infos gibt es unter Telefon 5635159. Im Container wird "Fressen Lieben Kotzen" jeden Mittwoch im September um 20 Uhr gezeigt. Karten können unter der Rufnummer 5694444 bestellt werden.