Tanzfestival: „Pina versteht die Frauen“

Diana Vishneva ist eine erfolgreiche Primaballerina. Derzeit probt sie in Wuppertal ein Solo von Pina Bausch.

Wuppertal. Wiederholung. Diana Vishneva weiß nicht, das wievielte Mal sie an diesem Tag diese Sequenz tanzt. Sie wirft die langen dunklen Haare nach vorn, die Arme wandern gleich mit, während sie ihren zierlichen Körper wie in quälenden Zuckungen vor und zurück biegt. Doch noch ist es nicht perfekt, noch trifft sie nicht den Ausdruck, der von ihr erwartet wird.

Es ist eine völlig neue Situation, in der sich die 32-jährige Primaballerina aus St. Petersburg befindet. In ihrer Heimat hat sie es geschafft, ist seit zwölf Jahren 1. Solotänzerin am renommierten Ballett des Mariinski Theaters. Doch hier in Wuppertal, wo sie derzeit an einem Solo aus Pina Bauschs Stück "Ten Chi" (2004) probt, das sie im Rahmen des Tanzfestivals NRW am 16. November im Düsseldorfer Schauspielhaus tanzen wird, muss sie sich an diese andere Art des Tanzes noch gewöhnen.

Bausch-Tänzerin Julie Shanahan, die das Solo für gewöhnlich tanzt, ist während der drei Tage ständig an in ihrer Seite. Nein, sagt sie, das sei kein komisches Gefühl, den eigenen Part mit einer anderen Tänzerin einzustudieren. Im Gegenteil. "Es ist eine super Erfahrung, mit einer so talentierten jungen Frau zu arbeiten, die noch nie diese Art von Bewegungen getanzt hat", sagt Shanahan, seit 24 Jahren im Bausch-Ensemble. "Sie wird es schon noch genießen."

Davon scheint Diana Vishneva in diesem Moment weit entfernt. Sie nutzt die wenigen Minuten Pause, um ihre Füße aus den Ballettschuhen zu befreien. Angelehnt an die Heizung im Tanzsaal spreizt die geschundenen und von Blasen übersäten Füße und atmet durch. Damit Träume wahr werden, muss man eben hart arbeiten. Dass hat Vishneva verinnerlicht - sie tanzt seit sie sechs Jahre alt war. "Es war immer mein Traum mit Pina Bausch zu arbeiten", sagt sie.

Dass sie nun auch wirklich diesen Schritt wagt, ist für Julie Shanahan bewundernswert. "Das ist so mutig, dass sie als anerkannte und erfolgreiche klassische Tänzerin so etwas wagt - schließlich könnte sie scheitern, sie hat einen Ruf zu verlieren."

Doch was macht es eigentlich so schwer für eine so herausragende Tänzerin ein Bausch-Stück zu tanzen? "Man muss sein Innerstes nach Außen kehren, jede einzelne Bewegung in sich finden", erklärt Vishneva. Die Individualität eines jeden Tänzers stehe im Vordergrund und das im völligen Kontrast zur klassischen Ballett. "Da geht es um die Form und die Perfektion, hinter der jeder Tänzer zurücktritt."

Pina, so schwärmt die junge Frau weiter, verstehe die Frauen wie keine zweite. "Ihre Choreografien seien eine Hommage an die Frauen." Für sie sind die Proben vorerst beendet. Erst ein paar Tage vor der Aufführung wird sie noch einmal herkommen und die Szenen tanzen. Diana Vishneva freut sich schon darauf. "Wenn man das System Pina Bausch einmal betreten hat, kann man es nie wieder verlassen."