Ulrich Klan erhält Aachener Friedenspreis
Seit fast 30 Jahren ist der Wuppertaler im Protest-Ensemble „Lebenslaute“ aktiv. Dafür bekommt er jetzt den Aachener Friedenspreis.
Wuppertal. Die 80er Jahre waren die Zeit der Friedensbewegungen und Anti-Atomkraft-Demos. Auch der Wuppertaler Musiker Ulrich Klan marschierte eifrig mit. „Aber viele von uns hatten diese Latsch-Demos satt.“ Als dann drei Musikerinnen 1986 auf die Idee kamen, als klassisches Orchester zu protestieren, war Klan sofort dabei.
Vor dem Pershing-II-Atomraketen-Lager in Mutlangen trat das neue Ensemble mit dem Namen „Lebenslaute“ erstmals auf — in schwarzer Konzertkleidung und mit Schuberts „Unvollendeter“, die immer wieder von vorne begonnen wurde. „Da passierte etwas ganz Verrücktes: Die Polizisten wussten nicht, wie sie damit umgehen sollten. Die haben uns stundenlang spielen lassen“, erinnert sich Klan.
Seitdem trifft sich das basisdemokratische Orchester einmal im Jahr zu einer Probenwoche, die mit einem Protestauftritt endet. Lebenslaute spielte auf Truppenübungsplätzen, an Atommüll-Lagern und bei Ausländerbehörden. Jetzt wird das ungewöhnliche Orchester mit dem Aachener Friedenspreis ausgezeichnet. Am 1. September soll der Preis überreicht werden. „Bei Lebenslaute wird alles sehr basisdemokratisch entschieden — wir diskutieren derzeit, wer den Preis entgegennimmt“, verrät Klan. Der Tenor jedoch sei, nur eine kleine Gruppe zu entsenden, während der Rest des Orchesters lieber eine weitere Aktion macht.
Bis zu 160 Instrumentalisten und Sänger nahmen gleichzeitig an den Aktionen teil. Um die Gewaltlosigkeit zu gewährleisten, wurde vorher nicht nur diskutiert und geprobt, sondern es wurden auch Entspannungs- und Gesprächstechniken eintrainiert. Für jeden Musiker wurden vorher Helfer benannt, die im Falle einer Verhaftung Instrument und Noten sicherten. Denn die Aktionisten kletterten für ihre Proteste über Zäune oder umgingen Polizeisperren durch Geheimpfade. „Alles wurde minutiös vorbereitet“, sagt Klan. Immer wieder seien Leute der Gruppe verhaftet worden — Klan selbst jedoch, zumindest im Rahmen von Lebenslaute, nicht.
Gerne erinnert er sich daran, wie er 2000 in Brandenburg gegen eine militärische Nutzung der so genannten „Freien Heide“ (2. FOTO) Brahms dirigierte und selbst ein passendes Lied schrieb. „Das war so ein Platz mit verfallenen Überwachungstürmen — wir sind mit dem Orchester rein und haben ein Konzert vor 1000 Anwohnern gegeben. Das war wirklich ein beeindruckendes Erlebnis.“ Später gewann die Bürgerinitiative, das Gelände wurde nicht militärisch genutzt. Oder als Lebenslaute im Flughafen Leipzig/Halle auftrat unter dem Motto „Piano und Forte statt Kriegstransporte“. „Damals haben wir uns als Urlauber verkleidet und in kleinen Gruppen hineingeschlichen, obwohl überall Sicherheitsleute standen“, erzählt Klan.
Der nächste Auftritt im Abschiebegefängnis Eisenhüttenstadt liegt allerdings außerhalb der NRW-Schulferien — schwer zu verwirklichen für den Musiklehrer Klan. „Aber am Wochenende fahre ich bestimmt hin und sei es nur, um ein Instrument anzureichen.“