Wuppertaler Bühnen bieten Open-Air-Programm im Innenhof von Opern- und Konzerthaus Oper, Konzert und Theater live im sicheren Fenster-Rahmen genießen

Das Szenario erinnert an Sommerurlaube in südeuropäischen Ländern. Wenn Urlauber in malerischen Innenhöfen prächtiger Palazzi klassischen Klängen lauschen oder sich in fremde Welten bekannter Theaterwerke entführen lassen.

Julia Meier und Konstantin Rickert als Romeo und Julia im Innenhof des Opern- und Konzerthauses.

Foto: Fischer, Andreas H503840

Der Hof zwischen Opern- und Konzerthaus in Barmen sowie die Corona-Pandemie sind zwar weniger bis gar nicht zauberhaft. Die Idee der Wuppertaler Bühnen, hier ein einstündiges Programm aus Musik- und Schauspiel-Miniaturen live und vor Publikum zu spielen, aber umso mehr. Am Samstag präsentierten die drei Sparten zwei Open-Air-Aufführungen, denen weitere am 27. Juni folgen sollen. Die schutzmaßnahmenbedingt kleine Publikumsschar applaudierte begeistert.

Sie sind wieder da, frisch, spontan, wort- und stimmgewaltig. Sie haben einen weiteren Schritt aus der virtuellen Bühnenwelt heraus getan, in die sie durch die Pandemie gezwungen waren. Ein Schritt hinein in die reale Welt, ein Lebenszeichen kurz vor der Sommerpause. Eine Erinnerung daran, dass die Wuppertaler Bühnen hochklassige Künstler beschäftigen. Ein Vorgeschmack und eine Hoffnung auf eine nächste Spielzeit mit direkt zu erlebenden Darbietungen. Auch wenn diese abstandsbedingt nur wenige Besucher erleben durften, Desinfektion und Mundschutz die Aufführungen begleiteten.

Weiße Gartenstühle, Klappliegen und eine Plastikpalme waren im kargen, zum Bühnenseiteneingang enger werdenden Hof aufgestellt worden. Hausmeister Pfleiderer alias Schauspiel-Intendant Thomas Braus begrüßte im grauen Kittel mit Schiebermütze und rotem Mundtuch das Publikum, überließ ansonsten dem Programmheft und den Kollegen die Kommunikation. Die Bühne verteilte sich an diesem Nachmittag auf Fenster und Türen   der beiden Gebäude, was Covid-19 geschuldet war und an das spontane Singen der Italiener erinnerte, die im Frühjahr gemeinsam auf ihren Balkonen gegen ihre Corona-Isolation angesungen und die Welt gerührt hatten. Was nett anzuschauen war, zumal auch die Sonne vorbeischaute, und den Lärm des Barmer Straßenverkehrs im Rücken des Publikums vergessen ließ.

Auf dem  Programm stand eine Collage aus bekannten Opernarien (aus Georges Bizets „Carmen“, Mozarts „Don Giovanni“, „My Fair Lady“ oder Monteverdis „L’Incoronazione di Poppea“), kleinen Stücken der Klassik und Gegenwart und Kostproben aus Stücken des Schauspielrepertoires. Die insgesamt 14 mehrere Minuten kurzen Häppchen folgten in raschem Wechsel aufeinander, so dass oft die Zeit zum Applaus fehlte.

Die Gedanken waren und sind auch in der Krise frei

Das Sinfonieorchester war mit sechs Akteuren vertreten: Klarinettistin Selina Lohmüller eröffnete, einem Weckruf gleich, mit Béla Kovács „Hommage à Manuel de Falla“ das Programm, die Flötistinnen Catarina Laske-Trier und Ulrike Siebler waren in mehrere Meter umfassender Distanz einander musikalisches Echo (Haydn), Fagottist Gregor Plettner und die Violinisten Florian Glocker und Momchil Terziyski erdeten mit Stücken von Johann Sebastian und Wilhelm Friedemann Bach.

Simon Stricker, Iris Marie Sojer, Ralitsa Ralinova, Sangmin Jeon, Sebastian Campione und Mark Bowman-Hester verführten mit viel Gefühl und großen Stimmen in die Welt der Oper. Der Fensterrahmen diente dabei als Chaiselongue oder, zugegeben schmales, Bühnenbrett. Unsichtbar ihr Begleiter: Korrepetitor William Shaw bediente im Haus das Klavier und wurde über Lautsprecher in den Innenhof übertragen.

Die Vorbereitungen für „Romeo und Julia“ waren fast abgeschlossen, als der Lockdown alles stoppte. Mit großer Spiel- und Bewegungsfreude erzählten nun Konstantin Rickert und Julia Meier von Nachtigall und Lerche, Corona, Verona und Quarantäne. Sie weckten Vorfreude auf die nächste Spielzeit, in der Shakespeares Stück doch noch aufgeführt werden soll. Thomas Braus, Julia Wolff, Stefan Waltz und Phillipine Pachl standen dem mit deftigen (Goldonis „Krach in Chiozza“) bis bissigen (Molières „Der eingebildete Kranke“) und witzigen (Dario Fos „Offene Zweierbeziehung“) Fenster-Dialogen in nichts nach.

„Die Gedanken sind frei“ sangen Akteure und Zuhörer zum Abschluss – ein wichtiger Satz nicht nur in coronabedingt unfreier Zeit.