Lieber Fußgängerzone als TV-Castingshow

Jan Röttger ist einer von Wuppertals vielversprechendsten jungen Musikern. Er liebt starke Auftritte und hasst Schubladen.

Wuppertal. Eigentlich könnte er sich so manches einbilden. Rockförderpreisgewinner 2008 mit seiner Band Derwent (Jury- und Publikumspreis), dazu Lob und Respekt von allen Seiten. Doch Arroganz? Die sucht man bei Jan Röttger vergeblich. "Eigentlich bin ich’n ganz netter Typ", sagt er und grinst. Der 25-Jährige sitzt in einem Café in der Luisenstraße - vor ihm steht ein Glas "Fühl-Dich-stark-Tee". Ob er den braucht, ist fraglich. Denn gerade wurde er auch noch vom Team der RTL-Show "Deutschland sucht den Superstar" explizit zu einem Casting eingeladen - eine Chance, für die viele junge Sänger alles geben würden. Jan Röttger lehnte ab.

"Ich will nicht um jeden Preis berühmt werden", erklärt der Wuppertaler Sänger. "Mein Ziel ist es zwar, mit meiner Musik Geld zu verdienen und meine Leidenschaft zum Beruf zu machen. Aber dabei möchte ich immer ich selbst bleiben und hinter dem stehen können, was ich mache." Was Jan Röttger macht, ist nicht wenig: Neben Derwent hat er gerade eine zweite Band gegründet: marla.singer. Wenn er mit nicht gerade mit einer von beiden auftritt, steht er auch mal solo auf der Bühne. Und die scheint wie für ihn gemacht.

Denn Jan Röttger hat eine natürliche Präsenz. Während er singt, schlendert er schonmal selbstverständlich durchs Publikum, klettert aus dem Saal-Fenster oder an Mauersimsen hoch. Langweilig wird es auf seinen Konzerten nie. Dabei ist er kein Macho oder plumper Show-Macher. Er wirkt eher freundlich, wohlerzogen, ist nachdenklich, manchmal etwas abwesend.

"Die meisten Texte entstehen, wenn ich traurig bin - und das sind dann auch die besten." Die Texte sind dann übrigens nicht nur autobiographisch, sondern auch gesellschaftskritisch. So geht es beispielsweise in seinem Song "Image Complex" um Profilneurose als Volkskrankheit. Seinen ersten eigenen Song schrieb der Ronsdorfer in der fünften Klasse, das Gitarrespielen hat er sich größtenteils selbst beigebracht. "Ich bin Autodidakt. Ich liebe es, Dinge durch ausprobieren zu lernen" erzählt er.

Obwohl ihm Musik immer wichtig war, rückte sie gerade in der Pubertät kurzzeitig in den Hintergrund, zugunsten des Sports, genauer: des Mittelstreckenlaufs. Der Geschichts- und Anglistikstudent war früher Leistungssportler. Mittlerweile trainiert er 13- bis 17-Jährige Schüler in Leichtathletik und läuft nur noch zum Spaß. Seine erste Band gründete er dann erst mit 21 - The Shakehands, bestehend aus seinen engsten Freunden. Aus Langeweile, wie er sagt. Die Schule war zuende, das Studium hatte noch nicht angefangen. Aus Zeitvertreib wurde eine Leidenschaft, die ihn nicht mehr losließ.

"Ich stamme aus einer sehr sicherheitsdenkenden Familie. Das bewirkt bei mir manchmal genau das Gegenteil - ich werde Musiker." Eine Kunst, die für die allermeisten brotlos bleibt. Jan Röttger ist sich allerdings für keinen Einsatz zu schade. So stellt er sich schon mal spontan in die Wuppertaler Fußgängerzone und erspielt sich an einem Tag seinen Lebensunterhalt für eine Woche "Üben muss ich so und so. Und es macht einfach Spaß, die Leute hören zu." Um über die Runden zu kommen, gibt er nebenbei Gitarrenunterricht.

Seine bisherigen Erfolge haben Jan Röttger einiges Selbstbewusstsein gegeben - auch wenn manches Fan-Lob nicht unbedingt das ist, was er hören möchte. "Ich war schon schockiert, als mir ein junges Mädchen begeistert mitteilte: ‚Du singst ja fast so gut wie Bill von Tokyo Hotel!’" Ein anderes Mal wurde er nach einem Punk-Konzert von einem älteren Konzertbesucher als der "neue Cliff Richard" betitelt -eine zweifelhafte Ehre für den Indie-Rock-Musiker, der zwar Bob Dylan verehrt, aber kein direktes Vorbild hat.

Jan Röttgers Stimme hat viele Facetten - und entzieht sich so dem trivialen Vergleich. Mal klingt sie soulig-kräftig, dann wieder rotzig-lässig - alles andere also als einfach nur "nett". Das will er auch auf großer Bühne beweisen: Morgen, solo - im Rex Theater.