Rückblick Lungenheilstätte machte Wuppertal-Ronsdorf deutschlandweit bekannt
Wuppertal · Der ehemalige Kaufmännische Leiter Peter Stuhlreiter erinnert an die Geschichte der Klinik.
Der WZ-Artikel über die Ronsdorfer Talsperre und ihre Geschichte hat Peter Stuhlreiter dazu inspiriert, an eine Ronsdorfer Einrichtung zu erinnern, „deren Geschichte mit dazu beigetragen hat, unseren Stadtteil Ronsdorf deutschlandweit bekannter zu machen“, schreibt er in einem Brief an die WZ. Die greift diese Informationen gern auf.
Peter Stuhlreiter kann dabei auf Informationen aus erster Hand zurückgreifen, war er doch von 1973 bis 2001 dort beschäftigt, zuletzt als Kaufmännischer Leiter. Die Anfänge lagen aber natürlich vor seiner Zeit: 1901 wurde die Lungenheilstätte eröffnet, erbaut vom „Bergischen Verein für Gemeinwohl“.
Im historischen Rückblick auf der Internetseite des Ronsdorfer Heimat- und Bürgervereins (HuB) ist festgehalten, dass der Rat der damals noch selbstständigen Stadt Ronsdorf 1898 beschloss, sich am Bau der Lungenheilstätte zu beteiligten. Auch Peter Stuhlreiter verweist darauf, dass das Entgegenkommen der Gemeinde und die Unterstützung von Bürgermeister August Staas zur Entscheidung für Ronsdorf beitrug – sowie die gute Luft auf den Höhen.
Zu der Zeit sei das Bergische Land neben dem oberschlesischen Kohle-Industriegebiet der Landesteil mit der höchsten Zahl an Tuberkulosekranken gewesen – diese Krankheit fordert damals noch viele Todesopfer. „Der Bau der Heilstätte ohne finanzielle staatliche Unterstützung erregte seinerzeit großes Aufsehen“, berichtet Peter Stuhlreiter. Zur Eröffnung habe die Deutsche Kaiserin Auguste Viktoria der Lungenheilstätte mit 131 Betten eine Bibel mit ihrer Widmung für den Betsaal geschenkt.
Revolutionärer Soldatenrat im Lazarett
1909, nur wenige Jahre später, kaufte die Landesversicherungsanstalt (LVA) Rheinprovinz die Lungenheilstätte. „Das hatte einen logischen Grund“, erklärt Peter Stuhlreiter. „Die 1891 gegründete staatliche Rentenversicherung, damals Invalidenversicherung genannt, hatte neben Rentenzahlungen auch die Bekämpfung der Volkskrankheit Lungentuberkulose zur Aufgabe.“ 1911 erhielt die Heilstätte für eine bessere Diagnose einen ersten Röntgenapparat. Während des Ersten Weltkriegs wurde das Haus als Lazarett genutzt, weiß Peter Stuhlreiter. „1917 gab es sogar einen Soldatenrat, also Revolutionäre in Ronsdorf“, erzählt er. Nach dem Krieg wurde die Lungenheilstätte wieder nur als solche genutzt.
In den 1930er Jahren erlebte sie mehrere Wechsel: Zunächst wurde sie 1931 zu einem Waldsanatorium für Tbc-gefährdete Frauen, das 1932 als Sparmaßnahme des Staates wieder geschlossen wurde. 1934 macht die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt das Haus zu einem Müttererholungsheim, das Ende 1935 wieder schloss. 1938 übernahm die LVA Rheinprovinz die Einrichtung wieder, wollte sie ausbauen. Doch dann fehlte das Geld, „weil der Westwall gebaut wurde“, wie Stuhlreiter sagt. 1941 wurde das Haus wieder als Lazarett gebraucht, aber es wurden auch weiter Tbc-Kranke behandelt. Der große Luftangriff auf Ronsdorf und Barmen 1943 traf den Westflügel der Klinik.
1945 wurde sie wieder zur Lungenklinik. Aber die Arbeit veränderte sich bald, denn inzwischen waren wirksame Medikamente entwickelt worden. Die Ronsdorfer Lungenheilstätte sei eine der ersten gewesen, in denen diese Mittel angewandt wurden, sagt Peter Stuhlreiter. Er hat noch Ärzte kennengelernt, die die ersten Erfahrungen mit den neuen Medikamenten gemacht haben. „Das war wie ein Wunder“, hätten sie gesagt. „Man hat den Patienten zwei bis drei Tabletten gegeben und dann war die Infektion nicht mehr nachweisbar.“
Das änderte alles: „Die Krankheit war besiegt. Die Ansteckungsgefahr ging gegen Null, die Lunge war zwar zum Teil zerstört, aber die Patienten galten als gesund“, erklärt Stuhlreiter. Daher seien in Ronsdorf Methoden entwickelt worden, um zu erkunden, welche Arbeitsleistung ein ehemals Lungenkranker noch erbringen kann. „,Medizinisch-berufliche Rehabilitation’ nannten sie das hier in Ronsdorf“, sagt er.
Viele der Ronsdorfer Familienbetriebe hätten sich beteiligt und Genesene bei sich beschäftigt, um ihre Leistungsfähigkeit prüfen zu lassen. „Deswegen war Ronsdorf am Anfang führend darin“, so Stuhlreiter. „Die später gegründete Stiftung Rehabilitation in Heidelberg sprach vom ,Ronsdorfer Untersuchungsmodell’.“ Anfangs sei es um nur um Lungenkranke gegangen, später sei das Vorgehen ausgeweitet worden auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Aus der Lungenheilstätte wurde ein Reha-Zentrum
In der Stadthistorie des HuB heißt es für das Jahr 1960: „Auf dem Gelände der Lungenheilstätte im Saalscheid wird ein ,Kurheim’ mit einer arbeitsphysiologischen Untersuchungsabteilung eingerichtet. Hiermit soll die Wiedereingliederungsmöglichkeit von Herz-Kreislaufgeschädigten verbessert werden.“
1975 wandelte die LVA Rheinprovinz die ehemalige Lungenheilstätte in ein Rehabilitationszentrum für Stoffwechselkrankheiten um, das nun „Klinik Bergisch-Land“ hieß. Es wurde ein neues Klinikgebäude errichtet, das alte Gebäude abgerissen.
2001 zog sich die LVA Rheinprovinz aus Ronsdorf zurück, die Wittgensteiner Kliniken AG und das Berufsförderungswerk Oberhausen übernahmen die Klinik, errichteten das „Institut für medizinisch-berufliche Rehabilitation“, das von Landesarbeitsminister Harald Schartau eingeweiht wurde, und bauten ein neues Bettenhaus. Die Wittgensteiner Kliniken AG kam einige Jahre später zum Helios-Konzern, seit 2018 gehört die „Rehaklinik Bergisch-Land mit den Schwerpunkten Onkologie, Gastroenterologie, Stoffwechselerkrankungen und Psychosomatik der Vamed AG.
Das Gebäude des einstigen Instituts für medizinisch-berufliche Rehabilitation ist inzwischen eine Zentrale Unterbringungseinrichtung (ZUE) des Landes für Flüchtlinge, die 2020 erstmals bezogen wurde. Hier warten heute geflüchtete Menschen darauf, dass über ihren Asylantrag entschieden wird und sie anderen Städten zugewiesen werden.
Peter Stuhlreiter wurde 2001 von seinen Kollegen im Saalscheid verabschiedet, arbeitete bis zur Rente noch ein Jahr in Düsseldorf bei der Rentenversicherung. Er blieb aber Ronsdorf weiter treu. Als er 1973 aus Düsseldorf nach Wuppertal kam, hielt er das für eine Übergangsstation. Aber: „Wir sind hier geblieben, weil es uns gefallen hat“, sagt er. Er und seine Frau Christa waren dann auch noch politisch im Rat und in der Bezirksvertretung für die SPD aktiv, zuletzt bei der Bürgerinitiative „Keine Autobahn durch Ronsdorf“.