Mädchen lernen die Kunst des Schreibens
Autorin Chris Hartmann hilft jungen Kreativen dabei, aus ihrem Innenleben zu berichten.
Sprockhövel. „Erzählen lernen in der Schreibwerkstatt“ heißt ein Programm im Rahmen des Landesprojekts „Kulturrucksack NRW“, das Kindern von zehn bis 14 Jahren helfen soll, ihre Gedanken zu Papier zu bringen, eventuell selbst eine Geschichte zu schreiben. Geleitet werden die neun Nachmittage im Haßlinghauser Jugendzentrum bis zum Beginn der Sommerferien von der Wuppertaler Kinderbuch-Autorin Chris Hartmann. Die hatte zum Auftakt sieben schreib- und lesefreudige Mädchen zwischen neun und zwölf Jahren um sich versammelt. Alle berichteten, dass ihnen Aufsätze ebenso viel Spaß machten, wie Bücher zu lesen.
Schreibpapier und Stifte lagen bereit, doch bevor die jungen Damen selbst zur Feder greifen durften, las Chris Hartmann aus ihrem Kinderkrimi „Langer Atem oder der Ölberger Fall“ vor. Hier schilderte der junge „Held“ Tim seine alles andere als positiven Gefühle anlässlich seines Umzugs aus Beyenburg zum Onkel auf dem Elberfelder Ölberg. „Welche Gefühle hattet ihr zuletzt?“, fragte die Schriftstellerin ihre Nachwuchs-Autorinnen und bat sie, diese in Schriftform zu fassen. „Schließt Eure Augen und versucht dann, eure Empfindungen in Worte zu verwandeln.“
Und Sophie, Hannah, Leona, Nele, Luisa, Jana und Josefine legten los. Allerdings mit unterschiedlichem Tempo. „Kurze Sätze sind nicht mein Ding“, meinte Luisa und wies auf die schon nach kurzer Zeit vollgeschriebene DinA4-Seite hin. Auch bei Nele neben ihr flitzte der Stift nur so über das Papier, während es bei den anderen ein wenig moderater zuging. „Ihr habt Zeit“, versuchte die Autorin zu beruhigen, ehe sie nach weiteren Augenblicken bat, das Geschriebene vorzulesen.
„Komm, Hannah, Du kannst das“, machte sie der Zwölfjährigen Mut, als Erste vorzulesen, und die ließ sich auch nicht lange bitten. Dass die persönlichen Gefühle ein wenig zu kurz kamen, räumte Hannah nachher ein. Aber, es gelingt ja auch nicht jedem, sein Innerstes nach außen zu kehren. Das ist schließlich eine Frage der persönlichen Mentalität. Beeindruckend und mit einem erstaunlichen Wortschatz ausgestattet, schilderte Luisa anrührend ihr Gefühl, als sie bei Bekannten eine kleine Katze abgeholt hatte, die nun bei ihr lebt. Aber auch den anderen Mädchen gelang es, Vorfreude, Trauer aber auch Wut in Worte zu fassen. „Das waren jetzt Schilderungen aus der Ich-Perspektive“, so Chris Hartmann. „Jetzt versucht es mal aus der Sicht eines Außenstehenden“, war ihr nächster Auftrag an die munteren Mädels, die nun langsam auf „Betriebstemperatur“ waren und mit Erfolg versuchten, ihr Erlebnis mit den Augen eines Beobachters zu beschreiben.
Das Thema „Perspektive“ dominierte die ersten anderthalb Unterrichtsstunden. Grundlagen für den Aufbau einer Geschichte, der Interesse weckende erste Satz, der Anfang, die Erzeugung von Spannung, Tempo und Rhythmus, die Entwicklung der handelnden Figuren und der Versuch sie zu zeichnen, sind Gegenstände weiterer Nachmittage. An deren Ende sollen dann die Rezension, nämlich das gegenseitige Besprechen der erarbeiteten Texte und schließlich die Präsentation der verfassten Geschichten stehen.
„Das Vertrauen in die eigenen Möglichkeiten, sich schriftlich auszudrücken, soll in der Schreibwerkstatt intensiv gefördert werden und den Kindern einen breiten Zugang zur kulturellen Bildung eröffnen“, heißt es in der Einladung zu den Workshops, deren Teilnahme übrigens kostenlos ist. Ein späterer Einstieg in die Schreibwerkstatt ist nach Absprache möglich.