Morgen Urteil gegen Ex-GWG-Boss Sperling
GWG-Skandal: Seinem Ex-Arbeitgeber hat der 70-Jährige 80000 Euro gezahlt. Um eine Haftstrafe wird er nicht herumkommen, darf aber dank EU-Recht mit „Rabatt“ rechnen.
Wuppertal. Drei Jahre ist es her, dass Helmut Sperling im Zuge des Prozesses zum Skandal um die Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft (GWG) verurteilt wurde. Untreue in vier Fällen und Steuerverkürzung in zwei Fällen sah das Landgericht als erwiesen an. Fünfeinhalb Jahre Haft gab es deshalb für den langjährigen Geschäftsführer der GWG. Für das Gericht stand fest, dass sich Sperling in den 90er Jahren als GWG-Boss wissentlich hatte schmieren lassen - von dem früheren Oberamtsanwalt und damaligen Immobilienvermittler Gerd Kolbe (dreieinhalb Jahre Haft, nicht rechtskräftig).
Vor einem Jahr schaute sich der Bundesgerichtshof (BGH) das Wuppertaler Urteil an und entschied: Es wird neu verhandelt. Zumindest in Teilen muss das Landgericht neu über den Fall befinden. Gestern ging dieser neue Prozess los. Eine große Beweisaufnahme gibt es nicht mehr. Der BGH will nur zum Tatkomplex "GWG-Immobilie Tannenbergstraße" eine neue Bewertung und insgesamt eine neue Gesamtstrafe. So wusste Helmut Sperling - mittlerweile 70Jahre alt und Rentner - was im neuen Verfahren auf ihn zukommt.
Hochnotpeinliche Fragen wie seinerzeit im großen GWG-Prozess jedenfalls nicht. Legendär sind seine damaligen Aussagen über die Lagerung des Kolbe-Schmiergeldes. Auf Nachfrage des Gerichts gestand der Ex-Boss damals unter anderem, dass er 100000 Mark Schmiergeld in der heimischen Sockenschublade gelagert habe. Vor der damaligen Urteilsverkündung war von reuiger Einsicht nicht viel zu merken.
Das ist lange her. Gestern vor Gericht ergriff Sperling wieder das Wort: "Ich hätte kritischer sein müssen, ich hätte es besser wissen müssen, ich hätte einen Riegel vorschieben müssen", sagte er. Und: Das Geld habe er damals Freunden gegeben, fügte er noch an. Es war der Versuch etwas gut zu reden, was aus juristischer Sicht nicht mehr zu kitten ist. Dass der 70-Jährige eine Haftstrafe bekommt, ist wohl unumgänglich. Es geht um Schadensbegrenzung. Und da hat der Langerfelder offenbar doch etwas in die Waagschale geworfen.
Dass er sich schon vor zwei Jahren mit der GWG außergerichtlich per Vergleich einigte, ist schon lange bekannt. Mittlerweile soll er aber auch jene vereinbarten 80000Euro an seinen ehemaligen Arbeitgeber gezahlt und auf seine Betriebsrente - immerhin 4500Euro monatlich - verzichtet haben.
Dass könnte Sperling, der es auf SPD-Ticket vom Stuckateur bis an die Spitze der GWG schaffte, im aktuellen Strafprozess einen Strafrabatt einbringen. Und der Europäische Gerichtshof spielt wohl auch noch eine Rolle im Wuppertaler GWG-Verfahren. So könnte es bei der Bearbeitung des Dauerverfahrens - zumindest nach EU-Recht - eine "rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung" von etwa zehn Monaten gegeben haben. Zu diesem aktuellen EU-Recht gibt es seitens des BGH wohl frühestens im Januar eine Entscheidung. Gestern hieß es aber bereits, im Fall Sperling werde man nach einer Lösung "Wiedergutmachung bei der Straffindung" suchen.
Dass Sperling, der wegen seiner Verstrickung in den GWG-Skandal vor Jahren zweimal in Untersuchungshaft saß, jemals wieder in Gitter muss, scheint abwegig. Schon im ersten Prozess war das Landgericht davon ausgegangen, dass der Ex-Chef aufgrund seines hohen Alters und seines Gesundheitszustandes nicht mehr haftfähig ist.
Ertappt Mitte der 90er Jahre stieg die zu 75 Prozent städtische Tochter GWG ins Immobiliengschäft ein. Bei Grundstückskäufen und Seniorenwohnprojekten ertappten Rechnungsprüfer und die Staatsanwaltschaft die damaligen Chefs. Der Vorwurf: Die Bosse hätten sich mit Luxusreisen oder Bargeld schmieren lassen und wissentlich für die GWG unwirtschaftliche Entscheidungen getroffen. Die Ermittler rechneten eine Schaden von weit mehr als 20 Millionen Euro aus.