Konzert Seong-Jin Cho spielt mit leidenschaftlicher Dynamik in der Wuppertaler Stadthalle

Wuppertal · Eine Klangwelt, in der scheinbar Engelsstimmen mitklingen.

Seong-Jin Cho begeisterte in der Historischen Stadthalle.

Foto: Christian Palm

Seong-Jin Cho, geboren und aufgewachsen in Seoul, Südkorea, lebt heute in Berlin. Er gewann im Alter von 17 Jahren den dritten Preis beim „Internationalen Tschaikowsky-Wettbewerb in Moskau“, mit 18 Jahren begann er sein Studium bei Michel Béroff am „Conservatoire National Supérieur de Musique de Paris“. Mit 20 gewann er den ersten Preis beim „Internationalen Chopin-Wettbewerb“, seitdem erlebte seine Karriere einen rasanten Aufstieg.

2016 erhielt er einen Exklusivvertrag bei der „Deutschen Grammophon“ und 2023 den „Samsung Ho-Am Prize in the Arts“ für außergewöhnliche Beiträge zur klassischen Musikwelt. Heute ist Cho weltweit ein gefragter Pianist, und so ist es sicherlich auch eine Ehre für die neue Intendantin des Klavierfestivals Ruhr, Katrin Zagrosek, ihn 2024 für einen Klavierabend in der Historischen Stadthalle Wuppertal gewonnen zu haben.

Eigentlich waren es zwei Konzerte, die Seong-Jin Cho am Montagabend ablieferte: Der erste Teil war komplett dem baskisch-französischen Komponisten und Impressionisten Maurice Ravel gewidmet. Drei komplette Werke, die zu den anspruchsvollsten und beliebtesten Klavier-Solowerken gehören, nämlich die „Sonate fis-Moll“, „Valses nobles et sentimentales“ sowie als Höhepunkt der Ravel-Präsentation „Gaspard de la nuit“ mit dem ebenso brillanten wie technisch anspruchsvollen Finalsatz „Scarbo“.

Die Art und Weise, wie Cho in diesem letzten Satz die virtuosen Passagen rasant und präzise darbot, insbesondere die brillanten Tonrepetitionen, das war ein phänomenales Klang- und Spielereignis. So wie hier gelang ihm auch in den anderen Stücken eine beeindruckende Klangmalerei, er realisierte eine Vielfalt an nuancenreichen Klangfarben und demonstrierte eine Unmittelbarkeit der Tongestaltung.

Ein brillanter Klangzauber in höchster Sensibilität wurde vorgeführt, verbunden mit einer musikalischen Inspiration, die das Publikum in Atem hielt und beeindruckte. Es waren sehr viele Koreaner anwesend, die ihrem Landsmann Seong-Jin zujubelten. Tänzerische Elemente etwa in den „Valses nobles et sentimentales“ gelangen schwungvoll, fröhlich, anmutig, und bildeten einen spannungsvollen Kontrast zu den zart getönten Aquarellen, sehr klar, transparent und empfindsam gestaltet. Ein Merkmal des Ravel’schen Tonsatzes ist eine kraftvolle Akkordik, die in allen drei Werken mit einem hauchzarten Pianissimo konfrontiert wird.

Chos Spiel wirkte hoch konzentriert und stimmig. Geist und Körper, Gehör und Anschlag bildeten eine Einheit. Seine Interpretation stand auf zwei stabilen Beinen: Spieltechnische Kontrolle und mentale Inspiration.

Zuhörer tauchen in eine romantische Welt ein

Nach der Pause tauchten die Zuhörer in eine neue, diesmal romantische Welt ein. Der oben angekündigte zweite „Klavierabend“ war komplett dem Pianistengenie des 19. Jahrhunderts Franz Liszt gewidmet. „Années de pèlerinage – Deuxième Année: Italie“, ein Zyklus, der mit seiner Expressivität, Leidenschaft und Empfindsamkeit dem Ravel’schen Klavierwerk in nichts nachsteht. Nur der Stil und die Ausdrucksmittel waren, epochal bedingt, andere.

Ebenso wie bei Ravels „Valses nobles“ fließen auch bei Liszt die Klangbilder, so unterschiedlich sie im Vergleich auch sind, zu einer poetischen Einheit zusammen. Plastische Klanggemälde wechseln mit schlichten Erzählpassagen ab. Die Musik von Franz Liszt wirkt wie eine Tondichtung, wobei der Pianist die Rolle eines Erzählers oder gar eines Poeten einnimmt. So wie Seong-Jin Cho spielte, eloquent und poetisch, in aufrechter Sitzhaltung, mit souveräner Gelassenheit, dazu mit fantastisch perlenden Trillerketten, Läufen, und einem empfindsamen Pianissimo-Anschlag, so könnte auch Franz Liszt sein Publikum verzaubert haben.

Zum Schluss bot Seong-Jin Cho ein furioses Finale, mit akrobatischer Pianistik und leidenschaftlicher Dynamik, mit Aggression und Versöhnung und schließlich mit einer friedlichen Stimmung, wie man sie von einer „Wallfahrt“, einer „pèlerinage“, erwartet. Mit hell leuchtenden, himmlischen Tönen zauberte Cho eine jenseitige Klangwelt. Man glaubte, in seinem Spiel Engelsstimmen zu hören.

Es gab begeisterten Applaus, Bravorufe und als Dankeschön zwei Zugaben: die „Träumerei“ von Schumann und den verspielten Finalsatz aus der Haydn-Sonate e-Moll.