Sinfoniker — die heimlichen Stars im Kino

Das Wuppertaler Orchester ist längst nicht mehr nur im Konzertsaal zu Hause: In der Filmbranche sind die städtischen Musiker immer gefragter. Zuletzt waren sie für „Tom Sawyer“ im Einsatz.

Wuppertal. Als das Sinfonieorchester vor vier Jahren einem Affen die Geigentöne beibrachte, weil „Der kleine Dodo“ Kurs auf die Kinosäle nahm, hätten wohl selbst die größten Optimisten nicht zu hoffen gewagt, dass das Ganze ein solches Nachspiel haben könnte. So ändern sich die Zeiten.

Dass die Qualitäten der städtischen Musiker in der Tat filmreif sind, könnten die Affen inzwischen durch den Wald brüllen: Erneut haben die Sinfoniker mit Pauken und Trompeten bewiesen, dass sie ihr Metier nicht nur auf klassischem Parkett beherrschen. Sie können auch ganz anders — und sind deshalb nicht nur im Konzert-, sondern auch im Kinosaal gefragt.

„Tom Sawyer“ ist der jüngste Beweis. Dass er zusammen mit seinen Kollegen die Musik einspielen durfte, hat Michael Hablitzel (Cello) hörbar Spaß gemacht. „Natürlich ist es toll, bei einem Film mit Benno Führmann, Joachim Król und Heike Makatsch mitzumachen. Aber vor allem war es eine Ehre, mit Biber Gullatz und Andreas Schäfer zu arbeiten, die eine sehr reduzierte, intensive und emotionale Musik geschrieben haben.“ Auch Adelheid Riehle (2. Violine) gefällt das Endprodukt, das sie eben erst im Cinemaxx begutachtet hat: „In der Spannung des Films habe ich oft ganz vergessen, dass ich ja selbst mitgespielt habe!“

Dabei sind die Sinfoniker fast schon Routiniers, wenn es darum geht, Kino-Abenteuer taktvoll zu bereichern. Denn „Der kleine Dodo“ war erst der Anfang: Als der Orang-Utan 2007 die Leinwand eroberte, waren es Wuppertaler, die die passende Filmmusik lieferten.

Als zwei Jahre später „Tortuga — Die unglaubliche Reise der Meeresschildkröte“ das Publikum in die Unterwelt entführen sollte, hatten ebenfalls die Sinfoniker ihre Hände im Spiel. Und als Schweinchen Waldemar im selben Jahr die Kino-Fans verzauberte, war das Orchester auch daran alles andere als unbeteiligt.

Mit anderen Worten: Was wäre „Mullewapp“ ohne die Klänge, die die Wuppertaler beigesteuert haben? Vermutlich nur halb so berührend. Nicht nur deshalb freut sich Orchesterdirektor Heiner Louis darüber, dass „seine“ Truppe längst nicht mehr nur in der Stadthalle, sondern ebenso im Dschungel und im Meer — also im Tonstudio — zu Hause ist. Immerhin spülen „solche Aufträge auch Geld in die Kasse“.

Die Filmbranche hat also ihren Reiz. Zumal das städtische Ensemble „eine völlig neue Arbeitsweise kennenlernt, denn oft sind die Noten noch nicht trocken, wenn das Orchester ins Studio kommt. Oder sie werden während der Aufnahme nochmal geändert und umgeschrieben.“

Da sei ein Höchstmaß an Flexibilität gefragt — ganz zu schwiegen von einer „ausgeprägten Fähigkeit des Vom-Blatt-Spiels“, wie Louis erklärt. „Dass unser Orchester das kann, hat sich herumgesprochen, so dass wir mittlerweile mehrere Anfragen pro Jahr bekommen.“ Die meisten erreichen ihn allerdings kurzfristig, „da die detaillierte Komposition erst dann gemacht werden kann, wenn die Schnittfolge einigermaßen feststeht“. Das heißt: „Man fragt uns nach Terminen in spätestens sechs bis acht Wochen, so dass es oftmals Glückssache ist, ein freies Zeitfenster zu finden — wir sind ja mit Konzert und Oper gut beschäftigt“.

Heiner Louis, Orchesterdirektor, über Einsätze in der Filmbranche.

Mitunter scheitert es „auch daran, dass zum Wunschtermin kein entsprechend großes Tonstudio gefunden werden kann“. Kein Wunder: Bis zu 70 Orchestermitglieder müssen Platz finden — samt ihrer Instrumente. So musste Louis gerade erst zwei Produktionen mit den Schauspielern Hannelore Elsner, Jessica Schwarz und Henry Hübchen absagen. „Selbst wenn man den Stars nicht leibhaftig bei der Arbeit zuschauen kann, ist man stolz darauf, an solchen Projekten beteiligt gewesen zu sein“, betont der Orchesterdirektor.

Wenn dann auch noch neben Affen, Schildkröten und Lausbuben vor allem die Zuschauer ihren Spaß haben, weil die Sinfoniker im Hintergrund die Fäden ziehen, ist das beste Werbung in eigener Sache. Apropos: Wer Tom Sawyers Abenteuer bisher verpasst hat, kann sie morgen um 11 Uhr im Cinemaxx erleben.