Erinnerungen einer Zwergschülerin
Luise Tesche ging in der Kohlfurth auf eine Schule mit nur zwei Lehrern. Disziplin war sehr wichtig.
Kohlfurth. Sie ist noch erhalten, die Museumsbahn, die am Museum in der Kohlfurth hinter einem Gittertor auf Besucher wartet und die Herzen der Nostalgie-Fans höher schlagen lässt. Am 24. September, dem 8. und 22. Oktober macht sich das Bähnlein in diesem Jahr noch auf den Weg von der Kohlfurther Brücke zum Möschenborn. Eine der Haltestellen: „Schulkohlfurth“.
Der Haltepunkt war eine Zwergschule, und die ist jetzt als normales Wohnhaus nur noch mit viel Fantasie eine Stätte der Erinnerung. Eine, die sich noch sehr gut erinnert, ist die 86 Jahre alte Luise Tesche (geborene Thiemann), die die Zwergschule in der Kohlfurth von 1938 bis 1946 , also während des gesamten zweiten Weltkrieges besucht hat und auch heute noch von ihrer recht glückliche Schulzeit angetan ist. „Ich bin dort gern zur Schule gegangen und habe auch viel gelernt“, stellt die rüstige alte Dame fest. „Es gab zwei Unterrichtsgruppen, die Klassen eins bis vier und die Klassen fünf bis acht. Unsere Klasse bestand aus fünf Mädchen und fünf Jungen“, so Luise Tesche.
Zwei Lehrer unterrichteten die beiden Klassen und natürlich mussten, was die Beschäftigung mit den einzelnen Klassen anging, einige Abstriche gemacht werden. „Wenn die Erst- und Zweitklässler unterrichtet wurden, mussten die dritte und die vierte Klasse einen Aufsatz, manchmal auch ein Diktat schreiben. Vor allem hatten wir uns ruhig zu verhalten. Wenn nicht, gab es Strafarbeiten, und das nicht zu knapp“, verrät die ehemalige Zwergschülerin.
„Disziplin stand ganz oben. Das führte auch dazu, dass vor dem Unterricht kontrolliert wurde, ob die Fingernägel sauber waren und alle ein Taschentuch dabei hatten.“ So Luise Tesche und fügt hinzu: „Was damals übertrieben wurde, wird sicherlich heute zu lasch gehandhabt.“ Wenn die einzelnen Klassen unterrichtet wurden, dann gab es natürlich keine Gelegenheit, sich in der letzten Reihe weg zu ducken und sich einem erholsamen „Schulschlaf“ hinzugeben, so wie das in Klassen mit 25 und mehr Schülern gebräuchlich ist. „Da war man ständig gefordert und musste intensiv mitdenken“ Sonst: Strafarbeit oder in die Ecke stellen.
Eins gab es allerdings in der Kohlfurth nicht: Ohrfeigen. „Ich kann mich kaum erinnern, dass mal einer von uns geschlagen worden ist.“ Was Robert Hille, so hieß Luise Thiemanns Lehrer, besonders schätzte, war die Disziplin „Wettrechnen im Kopf. Wer da gewonnen hatte, bekam von den leidenschaftlich fotografierenden Pädagogen ein Bild von der Einschulung geschenkt. Der Letzte durfte sich des allgemeinen Spotts oder Mitleids sicher sein. Auch heimisches Liedgut wurde eifrig gepflegt in der Zwergschule Kohlfurth. „Und wir hatten eine eigene Handarbeitslehrerin.“ Die bereitete die jungen Damen auf ein vorhersehbares Leben als „Heimchen am Herde“ vor.
Da Krieg während sechs ihrer acht Schuljahre herrschte, gab es natürlich auch bisweilen Bombenalarm. „Dann wurden die Schüler, die, so wie ich, in der Nähe wohnten, nach Hause geschickt. Die anderen blieben in der Schule und wurden von Herrn Hille beaufsichtigt. Der hatte nämlich seine Wohnung im Schulgebäude.“ Zu Schaden sind weder Schule noch Lehrer oder das Gebäude gekommen, dafür bot der beschauliche Ortsteil Kohlfurth ein strategisch zu uninteressantes Ziel für die feindlichen Bomber.
1946 wurde Luise Thiemann, die aus einem bäuerlichen Betrieb kam und dort weiter tätig war, aus der Schule entlassen. Aus der Zwergschule, die zwischenzeitlich längst aufgelöst ist. „Es war eine schöne Zeit, und ich habe im späteren Leben nie das Gefühl gehabt, dass ich gegenüber anderen einen Bildungsrückstand habe.“