Philatelisten halten ihr Hobby hoch
Im Briefmarken-Sammler-Verein treffen sich regelmäßig Philatelisten zum Austausch. Neun Mitglieder sind seit der Gründung geblieben.
Cronenberg. Der Briefmarken-Sammler-Verein Cronenberg hat an diesem Abend Zuwachs. Die Dame, die auf dem Tisch im Haus der Evangelischen Gemeinde ein paar Alben ausgebreitet hat, ist aber nur Gast. „Ich will die mal schätzen lassen“, erzählt die Cronenbergerin. In der WZ hat sie gelesen, dass sich der Club dort trifft. Mit Briefmarken, räumt sie ein, hat sie eigentlich nichts am Hut. Zumindest von der berühmtesten, der „Blauen Mauritius“ habe sie mal gehört. Dann sagt sie: „Die habe ich aber bestimmt nicht.“
Dass sich ausschließlich ältere Herren um den Tisch versammelt haben, ist symptomatisch für ein Hobby, das sich in der Zeit von Handys, Internet und WhatsApp schwer tut. Gegen die modernen Kommunikationsmittel kommt die Briefmarke bei vielen kaum an. Dass Leute die gezackten Papierstückchen sammeln, „weiß die Jugend doch gar nicht mehr“, sagt Karl Heinz Monse. Der 81-Jährige hält den letzten Sammlerverein auf den Südhöhen zusammen. Neun Mitglieder hat er noch, fast alle sind an diesem Abend anwesend. Als die Dame auftauchte, habe man schon gehofft, dass sie vielleicht ein Neuzugang wäre, schmunzelt Monse. Denn der letzte Neueintritt liegt lange zurück. „2003 war das“, sagt er nach einem kurzen Blick in die Unterlagen.
Am längsten im Verein ist Günter Lorenz. Der 92-Jährige ist kürzlich für 70 Jahre Mitgliedschaft ausgezeichnet worden. „Ich habe aber auch schon vorher gesammelt“, erzählt er. In Breslau, wo er herstammt. Seine Oma habe ihm damals die ersten Marken geschenkt.
Im Cronenberger Verein seien die Regeln damals streng gewesen, erinnert er sich und lächelt. „Sogar eine Probezeit gab es. Und Hahnerberger wurden damals gar nicht erst aufgenommen.“ Undenkbar heute, wo viele Vereine — nicht nur die Briefmarkensammler — Nachwuchssorgen haben.
Als Philatelist, wie die Sammler bezeichnet werden, ist Lorenz durch die Welt gereist. Als Juror begutachtete er Kollektionen anderer bei internationalen Ausstellungen, war unter anderem in Kanada. Eines seiner eigenen Steckenpferde: die Marken der Schweiz. Ziemlich eintönig sieht es in dem Album aus, das er vorzeigt — jedenfalls für den Laien. Auf den ersten Blick viele gleichaussehende Marken auf einem Haufen. Doch Lorenz erklärt das Besondere: Die Briefmarken seien über mehrere Jahre gültig gewesen. Der ehemalige Polizei-Fahrlehrer hat aus jedem Jahr ein abgestempeltes Exemplar gefunden. Bis ins 19. Jahrhundert reichen die Ausgaben zurück. Zugegeben, etwas für Spezialisten.
Günter Lorenz, langjähriger Briefmarkensammler
Griffiger sind andere Themen. „Ich habe zum Beispiel alle Marken, die weltweit zur Fußball-WM 1974 herausgegeben wurden“, sagt Monse. Dazu nennt er aber auch noch komplette Sammlungen der BRD ab 1949 und des Deutschen Reiches sein eigen. Die Frage nach dem Wert will er nicht beantworten. „Preise interessieren mich überhaupt nicht.“
Das bestätigen seine Kollegen. „Wir sind einfach notorische Sammler.“ Die neben Geld („andere verrauchen das, was wir für Briefmarken ausgeben“) auch Zeit investieren. Was sagen die Ehefrauen? Nicht alle seien begeistert. „Wobei“, sagt einer und lacht, „sind die vielleicht auch ganz froh, wenn Sie mal ihre Ruhe haben.“ Wenn die Herren sich mit Pinzette und Lupe zurückziehen.
Vererben? Verkaufen? Daran denken, was mal aus ihren Sammlungen wird, wollen die meisten noch nicht. Jüngere Verwandte, die weitersammeln würden, hat kaum jemand, „Kein Interesse da.“
Dass das immer weniger wird, bestätigt auch Helmut Klamra. Der Briefmarken-Händler aus Barmen ist Mitglied im Cronenberger Verein — ebenso wie in allen anderen Wuppertaler Sammlervereinen. Im Tal, sagt er, hätten die Vereine noch mehr Zulauf. Bei Postwertzeichen, dem ältesten Klub der Stadt, sind 60 Männer und sogar ein paar Frauen dabei. Doch auch dort überwiegen die Senioren deutlich. Das Wissen, was Briefmarken vermitteln, die Hintergründe, all das zieht bei der Jugend nur schwerlich.
Die Cronenberger blicken indes voraus: 2019 feiert der Verein seinen 90. Geburtstag. Das will man wahrscheinlich noch einmal feiern. Denn Briefmarken, betont Karl Heinz Monse, „die sind immer noch da.“