„Es ist, als sähe ich ihm beim Verbluten zu“
Kinder- und Jugendtheater feiert mit „Der alte König im Exil“ Premiere in der Citykirche. Das Stück thematisiert die Krankheit Demenz.
Elberfeld. Gleich zu Beginn des Stückes fiel ein entscheidender Satz“ Wir beschimpfen die Person und meinen die Krankheit.“ Mit der Krankheit ist die Demenz gemeint, die schleichend in das Leben das Vaters gekommen ist. Der Produktion „Der alte König in seinem Exil“ lag das gleichnamige Buch von Arno Geiger zugrunde, der die Demenz seines Vaters thematisierte. Das Leben kommt ihm langsam abhanden, doch überrascht er immer wieder mit Witz und auch Klugheit.
Das Wuppertaler Kinder- und Jugendtheater brachte zusammen mit der psychotherapeutischen Praxis von Dieter Marenz das Stück auf die Bühne und feierte in der Citykirche Premiere. Marenz ist langjähriges Ensemblemitglied und ein idealer Darsteller der Thematik. Unter der Regie von Lars Emrich schlüpfte er in die Rolle des Sohnes und ließ die zahlreichen Zuschauer teilnehmen an dem Krankheitsverlauf des Vaters und seiner eigenen Entwicklung.
Der Vater verliert nach und nach die Fähigkeit die einfachen Dinge des Alltags zu bewältigen, doch: „Wir sind lange nicht auf Demenz gekommen.“ Die Erkenntnis ist schmerzhaft, der vorher als stark empfundene Vater wird schwach, verliert die Erinnerung, verabschiedet sich langsam vom Leben. „Es ist, als sähe ich ihm beim Verbluten zu.“
Marenz gelingt die Darstellung der Auseinandersetzung des Sohnes mit der Problematik des langsamen Verlustes des Vaters grandios. Rund 70 Minuten lang fesselt er das Publikum mit seinen Zweifeln, Erinnerungen und Überlegungen. Das Bühnenbild von Noelle Magali Wörheide drängte sich mit den acht offenen Regalelementen nicht in den Vordergrund, sondern ließ Marenz damit spielen. Jedes enthielt ein anderes Accessoire als Symbol für den Erinnerungsverlust des Vaters. Verzweifelt sucht er seine vier Kinder und findet sie nicht: Marenz setzt eine Puppe ins Regal. Ein Buch in der Hand, erzählt der Sohn von einem gefundenen Tagebuch seines Vaters, durch das es ein ganz neues Bild von ihm erlangte. Immer wieder setzt Marenz kleine Pausen, lässt das Gesagte zum Verdauen im Raum stehen — und es herrscht völlige Stille in der Citykirche. Auch viel Heiteres wird erzählt, von den pfiffigen Antworten des Kranken und von surrealen Momenten, wenn er dem Nachrichtensprecher einen Keks anbietet.
Marenz war lange Leiter der Drogenberatungsstelle in Wuppertal. Arno Geiger wurde für sein Buch „Der alte König im Exil“ 2011 für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert. Unterstützt wurde die Produktion von der deutschen Stiftung für Demenzerkrankte und der Fudickar-Stiftung.
Eine weitere Vorstellung gibt es am 3. Dezember um 19 Uhr, Bandfabrik Langerfeld, Schwelmer Straße 133. Karten (9 Euro) unter Tel. 899154 oder
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