Streifzug Stadtgeschichte (1): Am engen Ende von Elberfeld

Eingequetscht zwischen den Hügeln, lag am Westende einst ein industrielles Kraftzentrum Wuppertals. Ein Streifzug.

Elberfeld. Der Punkt, der heute an der Schwebebahnhaltestelle Westende liegt, markiert nicht nur die engste Stelle des Tals. „Hier war früher Elberfeld zu Ende“, erklärte Johannes Schlottner. Die 17 Menschen, die den Stadtführer beim Gang durch das Quartier begleiteten, waren verblüfft. „Ich bin zwar Wuppertalerin, aber das habe ich nicht gewusst“, bekannte Marita Keiser.

Das Westende wurde mit der Industrialisierung zum engen Nebeneinander von Wohnen und Arbeit — mit manchem Kleinod aus Wuppertals Boom-Jahren. Gucken Sie bitte nicht so auf die Graffitis, sondern mehr auf die weitläufigen und üppigen Handläufe“, bat der Stadtführer bei der Erläuterung der Vogelsauer Treppe. Erbaut 1904, steht sie seit 1965 unter Denkmalschutz. „Konstruiert wurde sie, damit die Arbeiter aus den Färbereien und Wirkereien schnell auf den Nützenberg und dann nach Hause kamen.“ Noch heute dient das Bauwerk dem Zweck — auch wenn es inzwischen, wie weite Teile des Quartiers, einen leicht morbiden Charme ausstrahlt.

Eine weitere Etappe des Rundgangs war die vormalige Brauerei an der Friedrich-Ebert-Straße 191. Johann Christoph Küpper, gelernter Bäcker, hatte sie im 19. Jahrhundert gegründet. Der trutzige Bau, Baujahr 1872, wurde nach der Fusion von Küpper mit der Wicküler-Brauerei im Jahr 1900 verkauft — an die Weingroßhandlung Himmelmann-Pothmann.

Auf der Rückseite des Hauses sind noch Fahrstuhlschacht und diverse Turmreste zu begutachten — verborgen im Innern ist dagegen verbirgt sich ein gigantisches Kühlfass, das einst 70 000 Flaschen Wein fasste. „Das ist jetzt allerdings von einer Riesenbühne überbaut“, wie Alexander Quapp ausführte, der mit seiner Familie in der ehemaligen Kutscherwohnung des Gebäudes lebt — in dem heute die Beats des U-Clubs wummern. Weiteres Kuriosum: Der Verbindungstunnel zu einem mittlerweile abgerissenen Brauerei-Gebäude Richtung Nützenberg, der auch als Frischwasserlieferant diente.

„Der Weingroßhändler muss ziemlich gut im Futter gewesen sein — bei den Bauten“, mutmaßte Alexander Quapp über das üppige Weinkontor mit seiner einstigen Pracht — wie Wandmalereien und textiler Wandbespannung aus Cordsamt. Der kurze Blick in das so genannte Probierstübchen und die Kontore wurde von den Besuchern mit bewundernden „ahs!“ quittiert. Aus Witten und Nürnberg waren Teilnehmer gekommen, um an dem Spaziergang teilzunehmen. „Ich wusste, Wuppertal hat eine tolle Geschichte. Aber solche Details erfährt man ja sonst nicht“, freute sich Albert Törfer.

Im letzten Abschnitt der Erkundungstour ging es vorbei am Heizkraftwerk mit seinem knapp 200 Meter hohen Turm („nicht das schönste, dafür das derzeit höchste Gebäude der Stadt“, wie Johannes Schlottner bemerkte) zum Gelände der Firma Bayer.

„1863 wurde das Werk in Barmen gegründet“, erinnerte Mitarbeiter Hans-Georg Dellweg. Ging es ursprünglich um die Entwicklung von Farben, werden heute rund 20 verschiedene Wirkstoffe hergestellt, die an anderen Bayer-Werken zu Medikamenten weiterverarbeitet und in aller Welt verkauft werden. Merke: Am Westende ist die Welt nicht zu Ende, sondern hat viele spannende Geschichten zu bieten.