Präsentation Studierende setzen sich mit dem Wuppertaler Schauspielhaus und Pina Bausch auseinander
Wuppertal · Das Schauspielhausgelände an der Kluse war am Freitag Ort einer temporären Open Air-Ausstellung: künstlerische Intervention von 50 Architekturstudierenden der Bergischen Universität.
Auf Bodo Berheides hufeneisenförmiger „Figura Magica“ steht ein runder, hölzerner Käfig aus gewölbten Stäben, darin dreht sich eine Spirale im Wind. Auf dem Boden daneben sind mit Kreide Zeichen aufgemalt. Wieder einige Meter entfernt haben zwei verwitterte Steinbänke Lehnen bekommen. Rund ums Gebäude dahinter stehen Staffeleien mit großen skulptural wirkenden Fotos. Das Schauspielhausgelände an der Kluse war am Freitag Ort einer temporären Open Air-Ausstellung: künstlerische Intervention von 50 Architekturstudierenden der Bergischen Universität.
Heinrich Weid ist Professor für Darstellen und Gestalten an der Uni, Linda Nadji seine künstlerische Mitarbeiterin, sie ist federführend für das, was die Studierenden im laufenden Semester im und ums Schauspielhaus tun. Das Projekt im Außenraum, Titel „Körper und Raum“, ist nicht die erste bewusste Intervention in die Stadt des Professors mit Studierenden im vierten Semester. Auch beim Decathlon habe man mitgewirkt, erzählt er. Aber es ist die erste an diesem besonderen Ort mit seinen schrägen Treppen, die ihn an Piranesi erinnern, schwärmt er. Möglich geworden durch die Kooperation mit Bettina Milz, die die Vorlaufphase des Pina Bausch Zentrums (das im Schauspielhaus unterkommen soll) koordiniert und daran interessiert ist, das Gebäude im Wartestand mit Leben zu füllen.
Die Studierenden arbeiten immer wieder im Haus. Bislang vor allem drinnen. Es gehe auch darum, sich selbst zu positionieren, erklärt Nadji, weshalb zwei Workshops mit Tanz-Dozenten absolviert wurden, in denen die jungen Menschen lernten, Körper und/im Raum wahrzunehmen, eigene Geschichten zu Pina Bausch zu entwickeln.
Das Gebäude wiederum war Thema vieler einzelner Abschnittsansichten, die die Studierenden mit Kohle oder Bleistift zeichneten, um sie vergrößert nebeneinandergehängt zu einem Gesamtbild zu fügen. „Wir wollen, dass Architekturstudierende aus sich rausgehen.“ Dabei sei das Begreifen der Räume ein wichtiger Aspekt. Ein Experiment zugleich, das dokumentiert wird.
13 Stationen, drei im und
zehn um den Graubner-Bau
13 Stationen, drei im und zehn um den Graubner-Bau, haben die jungen Leute, in Einzel- oder Kleingruppen aufgebaut. Präsentieren diese und sprechen mit Weid und Nadji darüber, schließlich geht es auch ums Bewerten und Weiterkommen im Studium. Den schwungvollen Auftakt gestalten 25 Studierende gemeinsam. Eine Choreografie, die sie mit Schirmen zur Instrumentalversion von „Another one Bytes the Dust“ (Queen) auf dem Vorplatz des Schauspielhauses vorführen. Hinter der Show steckt die ernste Botschaft, dass das Individuum Teil der Gemeinschaft ist, alle zusammen etwas erreichen können, auch wenn jeder später eigene Wege geht.
Nikolina Salagyorova hat sich mit Bodo Berheides „Figura Magica“ auseinandergesetzt. Der lange, schmale Hufeisenmagnet sei Symbol der Balance, ihre Skulptur, die sie ans runde Ende angepasst hat, symbolisiere eine Sanduhr. Die Zeit sei begrenzt, es gelte mutig zu sein, aus dem Alltag auszubrechen, Zeit zu nutzen, erzählt sie, der Mensch drehe sich im Kreis wie die aus vielen Querhölzern gebaute Spirale im Inneren des offenen Korpus. Ihre Arbeit „Tempus Tanz“ verbindet die Begriffe Zeit und Balance miteinander und knüpft an die Tanztradition des Hauses hinter ihr an.
Zwei flache wie unscheinbare Sitzbänke auf dem Vorplatz hat sich eine Gruppe aus sieben Studierenden vorgenommen, um hier mit Gegensätzen zu spielen. Sie haben sie mit Lehnen versehen – aus Plastikmüll und aus Naturmaterial. Wer sich an den festgezurrten Abfall lehnt, sitzt bequemer und blickt auf das Gebäude, mit Stroh und Gras im Rücken ist es unbequemer, geht der Blick zur Bundesallee. Hier mischt sich Zufallserfahrung in bewusste Perspektivenlenkung.
Elena Marin und Sara Müller haben sich „Steps“ ausgedacht. Eine einfache, fröhliche und bedeutsame Arbeit, die Assoziationen an Hüpfspiele auf der Straße weckt. An zwei Stellen – auf dem Vorplatz und vor der ehemaligen Laderampe des Schauspielhauses, in der Nähe der derzeit geschlossenen Parkhauszufahrt des Großkinos, wo Parken früher streng verboten war – haben sie ihre Tanz-Einladungen zu Salsa und Bachata mit Kreide aufgemalt.
Zwei lateinamerikanische Tanzstile, deren Grundschritte nun auf dem Boden getanzt werden können – was auch gleich zwei Mädchen machen. Die Musik scannt man sich mit einem ebenfalls am Boden aufgebrachten QR-Code. Eine Referenz nicht zuletzt an Pina Bausch.
„Wir konnten Sachen machen,
die unüblich fürs Studium sind“
Eine weitere Arbeit entsteht als gemeinschaftliche Performance. Auf zwei langen Maler-Vliesbahnen verteilen sieben Studierende mit Füßen, Händen und dünnen Malerrollen hellrote und -blaue Farbe. Ein wirres Muster, das sie später an die Rückwand des Gebäudes hängen. Bewegung und Stillstand sind die Motive der großen Fotoarbeiten, die rund ums Gebäude aufgestellt wurden. Jeweils an den Stellen, wo sie aufgenommen wurden, freilich mit jungen Menschen drauf, die das heruntergekommene Mauerwerk mit seinen Feuerleitern nach lost places-Art in attraktive Fotolocations wandelten.
Einige Beispiele für insgesamt 13 temporäre Interventionen. Interessante Erfahrungen für die jungen Menschen, die sich mit der Choreografin und ihrer Spielstätte und irgendwie auch mit sich selbst auseinandergesetzt haben. „Wir konnten Sachen machen, die unüblich fürs Studium sind“, sagt Nikolina. Eine interessante und traurige (weil zeitlich begrenzte) Beschäftigung zugleich.