Teddys, Laptops, Kettensägen – Letzter Halt: Fundbüro

Das zentrale Fundbüro der Bahn ist ein Ort des Vergessens, ein Sammelbecken der ungesuchten Dinge und ein Barometer des Zeitgeists. 200.000 Fundstücke stranden dort jährlich.

Den Stallgeruch in den Räumen mit den eingelagerten Taschen und Koffern nehme er nicht mehr wahr, sagt Dirk Anger. Er leitet das zentrale Fundbüro der Deutschen Bahn. Getragene Kleidung, zerrupfte Kuscheltiere und benutzte Zelte wiegen schwer in der Luft der Lagerräume. Einmal in der Woche sorgt ein Kammerjäger dafür, dass sich kein Ungeziefer der Fundsachen annimmt.

Alles, was in deutschen Bahnhöfen und Zügen liegengelassen wird, landet nach sieben Tagen in der Wuppertaler Zentrale. Dort ist Endstation für lieb gewonnene, sehnsuchtsvoll vermisste und achtlos liegengelassene Gegenstände: für Habseligkeiten von Obdachlosen, die ihr Schließfach nicht rechtzeitig geräumt haben, Gebisse, Krücken, aber auch Kettensägen und Laptops.

300 Handys erreichen die Fundzentrale im Monat, nicht abgeholte Geräte werden später - mit gelöschten Daten - im Dutzend versteigert, für 200 Euro die Tüte. "Handys und Schlüssel rutschen einem lautlos aus der Hose auf Teppich. Das hat nichts mit Schusseligkeit zu tun, das nimmt man nicht wahr", sagt Nehring. Vor zehn Jahren hatte er Angers Posten im Fundbüro inne. "Seitdem weiß ich, wie ich mich schützen muss", sagt der Experte und zeigt seinen Schlüsselbund, der mit einer Kette an seinem Hosenbund befestigt ist. Er rät, wichtige Dinge mit Namensschild und Telefonnummer zu kennzeichnen.

"Wenn ich nur den Namen habe, dann kann ich die Dinge zuordnen", sagt Anger. "Aber es ist verblüffend, es gibt sogar Portemonnaies, die wir nicht zuordnen könne, weil kein Ausweis und kein Hinweis auf persönlichen Daten zu finden sind." Die Rückführungsquote liegt bei 60Prozent. Vor der EDV-Umstellung um die Jahrtausendwende seien es nur 15 Prozent gewesen. "60Prozent ist viel, wenn man bedenkt, wie schwierig es ist, Dinge, die man im täglichen Gebrauch hat, zu beschreiben: ist es eine Kurzjacke, Langjacke oder doch ein Kurzmantel, ist die Farbe Dunkelblau oder Schwarz oder doch Anthrazit", sagt Anger. Manchmal erfordere es detektivisches Gespür, um die gefundenen Dinge den Suchanfragen der Bahnkunden zuzuordnen.

"Handys sind die Klassiker, aber auch Regenschirme, Trenchcoats und Mäntel", sagt Anger, und Nehring schickt hinterher: "Wir können eher Dinge aufzählen, die hier nicht ankommen - alles, was nicht angewachsen ist, landet hier." Was ihm besonders am Fundbüro gefällt: Es bietet einen Querschnitt durch die Bevölkerung, ist ein Spiegel des Zeitgeists. Nehring: "Wir wissen immer, was Saison hat, alles, was gerade ,in’ ist, landet bei uns - wir haben auch schon das erste I-Pad bekommen." Fundbüroleiter Anger wundert sich heute noch über das, was die Leute liegenlassen. "Wer verliert so einen Automaten", sagt er und zeigt auf einen meterhohen Süßigkeitenspender, "und warum will das keiner zurück?"

Die Wertigkeit der Fundsachen variiert stark: "Es gibt klare Werte, die eine Fundsache haben muss, damit wir sie hier einlagern", sagt Anger. Aber auch materiell weniger wertvolle angefangene Portraits, genutzte Fachbücher oder Kuscheltiere werden nicht achtlos weggeworfen. Bei den Versteigerungen allerdings macht sich das bemerkbar: "Wir sind knapp kostendeckend. Wenn wir nicht dazu verpflichtet wären, würden wir das nicht anbieten", so Nehring.

"Dass hier verlorene Gepäckstücke abgegeben werden, setzt den ehrlichen Finder voraus", sagt Torsten Nehring, Bahnsprecher. Anger, der selbst schon sein Handy im Zug verloren hat, weiß, dass das Happyend manchmal ausbleibt: "Ich hab mein Dienst-Handy wohl neben die Jackentasche gesteckt. Und es war nicht durch eine PIN gesperrt. Es wäre hier angekommen, aber es ist nicht abgegeben worden."