Begrabt mein Herz in Wuppertal Wie man Klimaziele erreicht
Als Kind war der Freitag für mich der schönste Tag der Woche, nicht nur weil das Wochenende begann. In meiner Erinnerung gibt es noch viele gleichschöne Gründe, warum ich an diesem Tage meistens gute Laune hatte.
Der Freitagvormittag war eigentlich noch unschön, weil die grauenvollen Fächer Physik und Chemie auf dem Stundenplan standen. Zunächst war es aber eine Riesenfreude, dass man zwei ganze Tage die verhasste Bildungseinrichtung nicht von innen sehen musste. Als ich dann älter wurde, durfte ich auch den Krimi am Freitagabend anschauen. Wenn man nach 20 Uhr 15 noch vor der Flimmerkiste sitzen durfte, fühlte man sich schon fast erwachsen. Im Bett durfte ich sogar noch Radio hören, auch wenn meine Eltern schon schliefen. Freitags, pünktlich zur Abendbrotzeit (18.30 Uhr), kamen zwei Kegelbrüder meines Vaters. Der eine war Bäckermeister, der andere hatte einen Hühnerhof, die zur damaligen Zeit noch nicht so im Fokus der Kritik standen, weil die Hühner noch nicht in Massengehegen gehalten wurden, sondern sich frei und in der frischen Natur bewegen durften. Es gab dort sogar Hühner, meistens ältere mit Erfahrung, die Ausgang bis zum Wecken hatten. Der Eiermann, wie wir ihn nannten, hatte immer ein lebendiges und glückliches Huhn dabei, das auf seiner rechten Schulter saß: „Die zwölf Eier hat dieses Huhn für euch gelegt“, sagte der lustige und immer bestens gelaunte Geflügelzüchter. Für uns Kinder war das ein großer Spaß. Quasi ein „Zoo to go“. Er trug einen weißen Arbeitskittel. Mein Bruder und ich faszinierte besonders seine rechte Kitteltasche, dort befand sich sein Wechselgeld, und es war Musik in unseren Ohren, wenn seine Hand in die Kitteltasche glitt und er mit dem Hartgeld klimperte. Zu gerne hätten wir da mal reingegriffen.
Der Bäcker kam immer etwas später und brachte uns ein großes Familien-Brot. Alle vierzehn Tage zusätzlich einen Nusskuchen, den ich nie vergessen werde, weil es der beste Nusskuchen der Welt war. Der Bäckermeister hatte Asthma und war immer außer Atem, wenn er von seiner kranken Frau erzählte. Irgendwann kam er nicht mehr. Das allerbeste am Freitag aber war, dass das Wochenende ja noch gar nicht richtig angeknabbert war, praktisch noch wunderbar in voller Länge vor einem lag. Blütenrein und jungfräulich: der Samstag. Der Sonntag. Allerdings verschlechterte sich am heiligen Sonntag ab nachmittags meine Stimmung rapide, weil der böse Montag sich schon ankündigte. Im Radio hörte man damals oft schon am frühen Abend die Wettervorhersage für den kommenden Tag. Wie man wissen konnte, wie am anderen Tag das Wetter wird, war mir als kleiner Junge ein großes Rätsel.
Heute ist man, was die Vorhersagen von Wetter und Naturkatastrophen angeht, viel weiter. Und seit jüngster Zeit denke ich freitags nicht mehr so oft an diesen wunderbaren Nusskuchen, sondern vor allem an diese tollen Kinder, die gegen diese schreckliche Klimapolitik protestieren. Das in einer Nacht- und Nebelaktion gepackte Mini-Klimaschutz-Paket der Großen Koalition ist natürlich eine Farce. Da wird in nur einer Sitzung etwas übers Knie gebrochen, dass bei Wissenschaftlern nur Kopfschütteln verursacht. Insgesamt verhandelte die Koalition bis tief in die Nacht, um ihre halbherzigen und keinesfalls ausreichenden Maßnahmen zu beschließen. Die Tagungsräume des Kanzleramtes sind zwar mit effizienten, hochwertigen Energiesparlampen ausgestattet, die länger halten als unsere Erde, aber wie man eher nachhaltig Klimaziele erreicht, zeigt uns gerade der größte Reiseveranstalter der Welt, ThomasCook, der seinen Betrieb einstellt.
Auf dem Weg zur „Fridays for Future“-Demo - das Wetter lud ja dazu ein, wurde ich Zeuge einer kleinen, renitenten Gegendemo: Ungeduldige, junge Audi- und BMW-Fahrer standen in verstopften Seitenstraßen und gaben ordentlich Standgas. Der linke Arm hing raus, und mit der Faust schlugen sie den Takt der gräßlichen Bumsmusik, die aus ihren Boxen hämmerte, auf ihre Autotüre. Derweil verstopften vernünftige Kinder die Friedrich Engels-Allee. Das sah schon gut aus.