Persönliche Erinnerungen, die Herzen öffnen Wie Wuppertaler das Weihnachten ihrer Kindheit erlebten – vom Ölberg bis nach Dahlerau

Wuppertal · Von versteckten Geschenken, dem kleinen Glück und viel Dankbarkeit: WZ-Leser erzählen ihre Weihnachtsgeschichte.

Früher gehörten echte Kerzen an den Weihnachtsbaum – zur Sicherheit stand meist ein Eimer Wasser in Reichweite. Heute setzt man lieber auf Elektrik – und wird ebenso verzaubert.

Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Wenn das Glöckchen klingelte und man aus dem Kinderzimmer in das festlich geschmückte Wohnzimmer durfte. Wenn der Tannenbaum strahlte und sich vor ihm bunt verpackte Geschenke verteilten. Wenn man in die Christmette ging und aufmerksam dem Krippenspiel folgte – mit Maria, Josef, dem Jesuskind und neugierigen Hirten, die ihren Text nicht konnten und trotzdem geliebt wurden. Wenn es im Anschluss ein mit viel Aufwand zubereitetes Menü gab und man gleich am Morgen des Ersten Weihnachtstages wieder ins Wohnzimmer stürmte, um noch im Schlafanzug mit der Eisenbahn zu spielen … dann waren das Kindheitsträume, an die man sich noch nach Jahrzehnten gern erinnert. Die Westdeutsche Zeitung hat ihre Leserinnen und Leser nach ihren persönlichen Weihnachtserinnerungen gefragt. Hier stellen wir eine Auswahl vor – von Geschichten, die Herzen öffnen.

Ein schlechtes Gewissen

Ich war ungefähr sieben Jahre, wir schrieben das Jahr 1955. Damals wohnten wir in Elberfeld auf dem Ölberg. In der Küche stand ein Herd, bei dem im Winter immer Feuer an war und der Wasserkessel summte. Dazu ein kleines Wohnzimmer mit einem Kohleofen. Dieses Zimmer wurde nur benutzt, wenn Besuch da war – oder an Feiertagen wie Weihnachten. Außerdem gab es ein Schlafzimmer für meine Eltern, meinen Bruder und mich.

In der Adventszeit mussten wir immer für Heiligabend üben. Mein Bruder war in der Kurrende und hatte eine schöne hohe Stimme. Er sang dann „Still, still, weil‘s Kindlein schlafen will“ und ich musste ihn auf der Blockflöte begleiten. Mein Vater spielte Harmonium und las die Weihnachtsgeschichte vor. Dann musste ich noch das Gedicht „Markt und Straßen steh‘n verlassen“ aufsagen und schließlich sangen wir „O du fröhliche“ und „Stille Nacht“.

Das waren noch Zeiten – und Gott sei Dank sind sie noch nicht so lange her: der verschneite Wuppertaler Ortsteil Schöller lag 2010 in weißer Idylle – mit der evangelischen Pfarrkirche im Mittelpunkt und dem Turm des ehemaligen Ritterguts.

Foto: Jürgen Fritz

Eines Tages im Advent kam ein großes Paket an und mein Bruder und ich mussten die Augen schließen. Meine Mutter versteckte dieses Paket – und an diesem Abend gingen meine Eltern aus. Eigentlich tobten wir zwei ja immer im Schlafzimmer und sprangen meist vom Schlafzimmerschrank aus in die Betten unserer Eltern. Aber dieser Abend war anders. Wir suchten das ganze Schlafzimmer nach dem Karton ab und fanden ihn unter unserem Doppelstockbett. Wir beschlossen, den Karton zu öffnen und nachzusehen, ob Weihnachtsgeschenke für uns darin waren. Und tatsächlich: Für mich gab es eine Babypuppe in einem Schlafsack und mit einer Tragetasche, mein Bruder bekam ein rotes Auto aus Metall. Dann waren noch zwei Schlafanzüge für uns dabei. Das war‘s dann.

Als der Heilig Abend kam und ich eigentlich immer aufgeregt war, konnte ich mich gar nicht freuen. Die Tür zum Wohnzimmer ging auf und auf dem Tisch lagen die Geschenke mit einem weißen Tuch verdeckt. Erst einmal wurde feierlich das Weihnachtsprogramm durchgeführt, dann das Tuch vom Tisch genommen – die Geschenke lagen schön verpackt neben dem großen Süßigkeitenteller, den jeder bekam. Ich packte die Puppe aus und heuchelte Freude. Aber dadurch, dass wir alles schon kannten, war ich total enttäuscht. Danach habe ich nie wieder vorher ein Paket geöffnet und wollte auch nie mehr wissen, was ich geschenkt bekomme. Weder Weihnachten noch zum Geburtstag.

Hildegard Daum

Die Dönberger Krippe

Es mag Weihnachten 1954 gewesen sein. Meine zwei jüngeren Brüder und ich wohnten mit unseren Eltern auf der Höhenstraße in Dönberg. Vater baute jedes Jahr eine ganz besondere Krippe auf. Den Stall fertigte er aus Birkenästen und das Dach aus Stroh. Es gab sogar einen Nachthimmel mit Sternen. Ein Hirte saß am Lagerfeuer und ein Spiegel diente als Teich, auf dem Enten schwammen. Aus der alten Schmiede von Emil Backhaus besorgte Vater Schlacke, die er zu kleinen Felsen formte. Vom Friedhof zwickte er ein paar Zweige vom Lebensbaum ab. Sie bildeten den Baumbewuchs an der Krippe. An jedem Heiligabend – und da kam mein Einsatz – gingen wir in den Wald und holten frisches Moos als Wiese für die Schafe.

Dann mussten wir drei Jungs früh ins Bett, weil es die Bescherung damals immer am Weihnachtsmorgen gab. Unser gemeinsames Schlafzimmer war gleich neben dem Wohnzimmer, in dem auch die Krippe stand. Wir hörten ein stetiges Poltern und Rascheln, konnten aber auch durchs Schlüsselloch nichts sehen, da Mutter es zugehängt hatte. Am nächsten Morgen die große Überraschung. Ein Weihnachtsbaum mit bunten Kugeln, Kerzen und Lametta war aufgestellt und auf dem Tisch lagen unsere Geschenke. Das Christkind hatte sie in der Nacht gebracht! Natürlich schön verpackt und mit Schleifen versehen.

Ich erinnere mich an einen Ballonroller; später bekam ich einen Stabil-Baukasten, mit dem ich gerne Baukräne baute oder auch Lastwagen. Mein ganz besonderes Geschenk war eine Märklin-Eisenbahn. Einen Holzanhänger dazu, den mir meine Oma einmal schenkte, besitze ich heute noch neben ein paar, von meinem Vater gebastelten Häusern der damaligen Modellbahn. Und das war vor ungefähr 70 Jahren!

Karl-Heinz Kinnen

Der beste Opa

Vor zehn Jahren schrieb Lukas, der Enkel von Nelly Lucas (90), einen Weihnachtsbrief an ihren Mann. Hans habe den Job als Großvater erstklassig ausgefüllt. „Wenn ich mal irgendwann Opa werde, dann weiß ich, wie man es am besten macht“, schrieb er damals. Opa Hans verstarb 2018, der Brief bewegt seine Witwe Nelly jedoch auch heute noch, zumal er die Weihnachtsbotschaft auf ganz persönliche Weise in liebevolle Worte kleidet. Und zeigt: Lebe jetzt. Sage jetzt danke. Sei jetzt da. Die WZ darf den Brief hier wiedergeben:

Lieber Opa,

ich möchte Danke sagen! Ich bin gerade in einer Phase meines Lebens, wo die Zeit so schnell vergeht, dass man gar nicht mitbekommt, dass der letzte Kontakt mit der Familie schon wieder Monate her ist. Es ist einfach so viel los, was den Beruf und die Freizeit hier in Ulm angeht, dass man das Gefühl hat, dass Wochenenden gerade mal eine kurze Verschnaufpause nach einem langen Marsch sind.

Ich möchte, dass du weißt, wie gerne ich mit dir Zeit verbringe und wie toll die Zeit war, die wir bereits miteinander verbracht haben. Den Job als Opa hast du einfach erstklassig gemacht. Wenn ich mal irgendwann Opa werde, dann weiß ich, wie man es am besten macht, denn ich habe den besten und größten! Das Leben ist leider so, dass es irgendwann ein Ende gibt. Ich möchte, dass du weißt, dass, wenn es soweit ist, ich dich sehr vermissen werde. Seitdem ich lebe, warst du immer da, sozusagen ein fester Bestandteil meines Lebens. Ich denke, ein Teil des Erwachsenwerdens ist, so etwas zu akzeptieren. Leicht ist es aber auf keinen Fall.

Ich habe dich ganz doll lieb, Opa. Dein Lukas

Das Christkind wird 78

Hans-Joachim Lüppken, Bezirksbürgermeister von Uellendahl-Katernberg, ist ein Christkind. Hier erzählt er, wie das in der Kindheit so war, zwei Glückstage gleichzeitig zu erleben:

Meine Mutter hat mich am 24. Dezember 1946 zur Welt gebracht. Ich glaube, das war in der Landesfrauenklinik, spätabends. Ich war also ein richtiges Christkind. Wir wohnten am Atadösken, da gab es Dienstwohnungen der Wuppertaler Stadtwerke, bei denen mein Vater gearbeitet hat. Mit meinem zwei Jahre älteren Bruder waren wir oft draußen unterwegs und haben im Wald gespielt. Dass ich am 24. Dezember Geburtstag habe, wussten auch viele Mitschüler. Die haben dann gesagt: „Du Armer, dann kriegst du ja immer nur ein Geschenk!“ Das stimmte aber nicht. Meine Mutter hat jedes Jahr dafür gesorgt, dass ich einen richtigen Geburtstag hatte. Den haben wir am Heiligen Abend gefeiert, als eigenen Tag. Den Christbaum hat mein Vater nämlich immer erst in der Nacht auf den Ersten Weihnachtstag aufgebaut. Als Geburtstagsgeschenk gab es damals praktische Spielsachen, zum Beispiel eine Eisenbahn aus Holz oder Schüppe und Eimerchen für den Sandkasten. Am nächsten Morgen haben wir dann Weihnachten gefeiert. Die Tradition meines Geburtstages habe ich bis heute aufrechterhalten: Auch an diesem Dienstag werden Freunde und ehemalige Kollegen von der Sparkasse vorbeikommen, so etwa bis 14 Uhr, um dann selbst die Weihnachtsfeierlichkeiten vorzubereiten. Es ist jedes Jahr schön.

Hans-Joachim Lüppken

Von Licht, Wärme und Magie

Es war Weihnachten im Jahr 1953. Ich war gerade vier Jahre alt geworden, mein Bruder war drei. Wir freuten uns schon Wochen vorher auf Weihnachten und diskutierten mit großem Ernst darüber, ob das Christkind ein Junge oder ein Mädchen ist. Wir wohnten damals sehr beengt in der Hünefeldstraße in Unterbarmen auf einem Zimmer. Mein Vater war heimatvertrieben aus Breslau und nach seiner Gefangenschaft noch arbeitslos. Günstige Wohnungen waren in der Nachkriegszeit rar. Aber wir waren glücklich.

Am Heiligen Abend wurden wir morgens in einen Waschzuber gesteckt, damit wir sauber sind, wenn das Christkind kommt. Dann zogen wir unsere Sonntagskleidung an und mittags gab es eine einfache Suppe. Da wir nur das eine Zimmer hatten, in dem sich unser ganzes Familienleben abspielte, zogen mein Bruder und ich gegen 14.30 Uhr ins Treppenhaus, eingepackt in Schal, Mütze und Mäntel, damit unsere Eltern das Weihnachtszimmer herrichten konnten. Das durften wir Kinder natürlich nicht mitbekommen. Wir mussten sehr lange im Treppenhaus warten, bis alles fertig war; uns war langweilig und kalt.

Als die Wohnungstür unserer Vermieter aufging, waren wir erschrocken und dachten, sie würden uns ausschimpfen. Doch das ältere Ehepaar war sehr freundlich und bat uns in ihre warme Wohnung. Dort haben wir bei Kakao auf das Christkind gewartet. Die beiden Alten waren allein und es war so still, was wir als lebhafte Kinder nicht gewohnt waren. Ich empfand das als sehr bedrückend. Ich hörte nur die große Wanduhr ticken und dachte, ich wollte nie so alt werden ohne Mama und Papa. Endlich holte Papa uns von den Nachbarn ab. Da erklang ein Glöckchen und die Mutter rief lachend: „Das Christkind war gerade da!“ Dann zündete Papa Wunderkerzen an und wir dachten: So ist es im Himmel. Nach der Bescherung gab es unser Weihnachtsessen: Kartoffelsalat und „Haulemannwurst“. Das war eine Krakauer aus der schlesischen Heimat meines Vaters. Eigentlich mochte ich sie nicht, da sie scharf und salzig war. Aber aus Liebe zu meinem Vater haben wir sie gegessen, weil er sich so darüber freute. Gut bekommen ist sie mir nicht.

Am Ersten Weihnachtstag waren wir bei unseren Großeltern in Dahlerau eingeladen. Heute gehört der kleine Ort zu Radevormwald. Meine Großeltern, die Eltern meiner Mutter, wurden 1943 beim großen Luftangriff auf Barmen ausgebombt, so standen sie, wie viele andere Menschen auch, obdachlos da. Sie erhielten eine Unterkunft in einem „Behelfsheim“ auf dem Land, da die Stadt total zerstört worden war. Es war eine Holzbaracke auf einer Anhöhe.

Meine Eltern hatten kein Auto und so fuhren wir fröhlich am Weihnachtsmorgen vom Bahnhof Unterbarmen mit der Dampfeisenbahn nach Dahlerau. Zuerst hatte ich etwas Angst vor dem riesigen schwarzen Koloss. Aber es war ein wundervolles Erlebnis, durch die verschneite Landschaft entlang der Wupper zu fahren. Wir fuhren 3. Klasse und saßen auf Holzbänken, durften die Fenster herunterschieben und hielten die Nasen in den Dampf der Lok.

Endlich waren wir am Bahnhof Dahlerau angekommen. Oma und Opa warteten schon auf uns. Wir marschierten im tiefen Schnee den Schröderweg hinauf. Wir Kinder fanden das Häuschen cool, die Dielen knarrten bei jedem Schritt und auch die Wände waren aus Holz, an denen man herrlich klopfen konnte, was der Oma gar nicht gefiel. An den Fensterchen hingen geblümte Gardinen, ein Kanonenofen sorgte für Wärme. Oma hatte schon den Schweinebraten fertig und wir griffen ordentlich zu, da sie eine gute Köchin war. Außerdem wollten wir ja noch Schlitten fahren.

Bei der Bescherung erhielt jeder ein in Seidenpapier eingepacktes Geschenk. Von Onkel Helmut bekam ich eine Zelluloidpuppe, als Seppl bekleidet. Tante Doris schenkte mir ein Schminktäschchen mit einem Fläschchen Mouson Uralt Lavendel. Ich war selig! Oma war eine praktische Frau, deshalb bekamen wir Kleidung. Mein Bruder packte einen wunderschönen Trainingsanzug aus. Der war dick und innen aufgeraut, sodass mein Bruder damit ohne Mantel Schlitten fahren konnte. Dann packte ich mein Päckchen aus. Mein Gesicht wurde immer länger und ich hätte fast geweint. In dem Päckchen befand sich ein Flanellkleid, denkbar ungeeignet für eine Schlittenfahrt. Was habe ich meinen Bruder um den Trainingsanzug beneidet!

Barbara Remmel-Gortat

Was es so wertvoll macht

Die Zeit vor dem Weihnachtsfest habe ich aus meiner Kindheit Ende der 1960er- und Anfang der 1970er-Jahre in besonderer Erinnerung. Wir haben viel gebastelt und gebacken. Ab dem Buß- und Bettag wurde traditionell das erste Weihnachtsgebäck produziert. Jedes Jahr buk Mutter einen Stollen, der nie zu ihrer vollen Zufriedenheit gelang. Mit der Meinung war sie allerdings allein. Jedes Jahr verkündete sie: „Den mach‘ ich nie wieder“ – was bis zum nächsten Jahr wieder vergessen war.

Mehr und mehr füllte sich die Wohnung mit Tannengrün und Schmuck, doch erst an Heiligabend wurde der Tannenbaum aufgestellt. Alle haben mitgeschmückt. Dabei bin ich einmal etwas übereifrig – ich wollte unbedingt meinen Schmuck allein und weit oben anbringen – mitsamt Baum auf das Sofa gestürzt. Bis auf eine schöne Sauerei, begleitet von Geschimpfe, sind glücklicherweise keine weiteren Schäden entstanden.

Die wichtigste Lektüre in der Vorweihnachtszeit war der Spielzeugkatalog eines lokalen Spielwarenladens, den mein Bruder und ich genau studierten und immer längere Wunschlisten schrieben. Wünschen durften wir uns alles, in Erfüllung ging selbstverständlich nur ein kleiner Teil.

Zu den schönsten Erlebnissen gehören gemeinsame Besuche der Kindervorstellungen im Schauspielhaus. Das muss Anfang der 1970er-Jahre gewesen sein. An die Aufführungen „Die Wawuschels mit den grünen Haaren“ nach einem Buch von Irina Korschunow und „Der Zauberer von Oz“ kann ich mich nur bruchstückhaft erinnern, an die Eindrücke vom Theaterbesuch selbst mehr. Es war sehr aufregend mit all den Leuten in festlicher Stimmung, das Schauspielhaus an sich, das Stimmengewirr vor der Vorstellung und das Mitfiebern mit den Schauspielern, wenn es spannend wurde. Die Kinderstücke stehen immer noch auf dem Spielplan der Wuppertaler Bühnen und ich kann so einen Theaterbesuch nur empfehlen.

Meine Eltern haben mir mit all den schönen kleinen und großen Momenten in dieser Zeit ein bleibendes Geschenk gemacht, wofür ich bis heute dankbar bin. Im Nachhinein ist das wertvoller als die Päckchen unterm Weihnachtsbaum.

Andrea Llewellyn

Die Westdeutsche Zeitung wünscht Ihnen allen ein friedliches Weihnachtsfest und hofft, dass Sie Ihre Erinnerungen daran in Jahrzehnten ebenfalls noch mit Freude weitergeben können!