„Wir wollen versuchen, Engels wieder einzubürgern“

Welche Ideen hinter den Plänen für das Engelsjahr stecken, erklären die designierten Kuratoren Rainer Lucas und Hans-Dieter Westhoff.

Foto: Andreas Fischer

Die Ideen für ein Programm zum Engelsjahr 2020 werden konkreter. In der letzten Sitzung des Kulturausschusses hat Kulturdezernent Matthias Nocke (CDU) nicht nur erste Ansätze, sondern auch die zwei Männer vorgestellt, die dieses Programm in den kommenden drei Jahren koordinieren sollen: Rainer Lucas, bisher Projektmanager im Wuppertal Institut, und Marketingexperte Hans-Dieter Westhoff.

Die beiden kennen sich aus jahrelanger Zusammenarbeit bei verschiedenen Projekten und sind sich auch jetzt einig darin, dass das Engelsjahr eine große Chance für die Stadt ist. „Wuppertal hat ja schon viele berühmte Menschen hervorgebracht, aber so berühmt wie Engels ist keiner“, sagt Westhoff. „Er ist international bekannt, in China und Lateinamerika“, so Rainer Lucas. Und Westhoff betont: „Da gibt es eine Marktlücke: Bisher wird Engels nicht mit einer Stadt verbunden. Bei Heinrich Heine denkt man an Düsseldorf, bei Goethe an Weimar und Frankfurt, bei Beethoven an Bonn.“

Bei aller Bekanntheit werde Engels sehr unterschiedlich gesehen. Da gebe es die, die Engels ablehnen — „aber man kann Engels nicht verantwortlich machen für Dinge, die im 20. Jahrhundert passiert sind“, betont Lucas. Auf der anderen Seite gebe es eine Art Heiligenverehrung von Engels — „dafür würden sich die Wuppertaler nicht hergeben“, so Westhoff. Und Lucas betont: „Wir stellen ihn nicht auf einen Sockel.“

Stattdessen sollen die Wuppertaler durch ihre Auseinandersetzung mit dem Sohn der Stadt eine eigene Sicht entwickeln. Das soll das Ziel der Vorbereitung aufs Engelsjahr sein: „Wir müssen einen eigenen Standpunkt finden, die Interpretationshoheit über Engels wiedererobern.“ Und Westhoff sagt: „Wir wollen versuchen, Engels wieder einzubürgern.“ Die Beschäftigung mit Engels werde identitätsstiftend sein — die Wuppertaler könnten Stolz darauf entwickeln, dass er in ihrer Stadt geboren ist.

Sie sehen da viele Ansatzpunkte für die Auseinandersetzung: Engels stehe für den Aufstieg des Wuppertals zur ersten Industrieregion Deutschlands. Zu Engels’ Zeiten habe es ähnlich rasante und umfassende Umbrüche gegeben wie heute durch die Digitalisierung — er habe sich mit diesen Umbrüchen tiefgreifend befasst.

Engels sei der Erfinder der Idee, Philosophie und Ökonomie zu verbinden, habe Marx erst darauf gebracht, welchen Stellenwert die Ökonomie für die gesellschaftliche Entwicklung hat. Er sei einer der ersten Europäer gewesen, habe neun Sprachen gesprochen. Als junger Mann habe er sich aus der pietistischen Enge seines Elternhauses befreit, später sei er Universalgelehrter und Lebemann gewesen, „ein lustiger Geselle“ — „mit ihm in den Urlaub zu fahren, hätte Spaß gemacht“, so Westhoff.

Ihnen geht es darum, möglichst viele Ansätze zu finden und dabei Bezüge zur Gegenwart herzustellen. Es lasse sich, etwa anhand der Primark-Diskussion, fragen, was aus der Textilindustrie geworden ist. Oder man könne beispielsweise mit Utopiastadt und dem Arrenberg diskutieren, welche Ansätze zur Gesellschaftsveränderung es heute gibt.

Auf Seiten der Wissenschaft gebe es bereits konkrete Pläne, die Universität will internationale Experten einladen. Jetzt gehe es darum, auch die Stadtgesellschaft einzubinden. Neben dem Unternehmertum in der Stadt sehen sie die Kultur und den Bereich Bildung und Schule als potenzielle Partner.

Das Jahr 2018 wollen sie verwenden, um weitere Mitstreiter zu finden. Auftakt dazu soll eine Veranstaltung Ende Januar, Anfang Februar im Theater im Engelsgarten sein, zu der mögliche Kooperationspartner eingeladen werden. Bis Mitte des Jahres sollen in Workshops Ideen vertieft werden: „Wir hoffen, dass wir Ende 2018 einen Gesamtplan haben.“

Dazu sollen auch besondere Höhepunkte wie die Wiedereröffnung des Historischen Zentrums und ein Festakt in der Stadthalle gehören, und weitere, die überregional interessant sind: „Wenn das Programm Strahlkraft hat, muss das landesweit beworben werden, dann kann man auch Sponsoren und Förderer gewinnen“, so Westhoff. Lucas sagt: „Wir haben eine lange Liste mit Ideen. Da hinein müssen wir jetzt Struktur bringen.“ Und möglichst bald soll es ein Logo und ein Motto für das Engelsjahr geben.