Seit zehn Jahren Forum Wie die Mirke zur Mirke wurde
Wuppertal · Das Forum Mirke bietet seit zehn Jahren Diskussion und Vernetzung – das Orga-Team blickt auf Erfolge und Langzeitprojekte.
„Vorher gab es die Mirke nicht“, denkt Thomas Weyland an den 5. November 2013 zurück, an den Tag, an dem das Forum Mirke erstmals zusammenkam: Bewohner und Vertreter von Institutionen aus dem Viertel zwischen Hochstraße, Gathe und A46. Der andere Teil der Nordstadt, zwischen Luisenviertel, Briller Straße und Hochstraße, ist der Ölberg. Doch dieser Teil hatte noch keinen Namen. „Durch die Mirker Straße, den Mirker Bach und den Mirker Bahnhof wurde die Mirke daraus. Dass es einen Namen gibt, hat die Identität gestärkt.“
Thomas Weyland ist im Orga-Team des Forums, ebenso Inge Grau, David J. Becher und Christian Hampe. Zehn Jahre nach Gründung und kurz vor dem 50. Forum denken sie zusammen zurück an Erfolge und Langzeitprojekte. Im Protokoll des ersten Forums steht zum Beispiel: „AZ ist bedroht“, „Neue Moschee“, „Diakoniekirche befristet, was dann?“ – Themen, derzeit aktueller und akuter als damals. An Themen wie eine Rad-Verbindung zwischen Nordbahntrasse und Innenstadt über die Neue Friedrichstraße und eine langfristige Nutzung der ehemaligen Gold-Zack-Fabrik an der Wiesenstraße kann das Orga-Team einen Haken machen.
Diskussionen werden auf Augenhöhe geführt
Was ist das Forum Mirke, wie funktioniert es? „Wir diskutieren, ob Entwicklungen ins Quartier passen“, sagt Inge Grau, ob sie gemeinwohlorientiert sind. „Wir sammeln Informationen und machen sie öffentlich zugänglich“, als Grundlage für Diskussion und Teilhabe. „Sie ist bei uns ein bisschen barrierefreier als die typischen Bürgerbeteiligungen der Stadt“, sagt Thomas Weyland, und gehe darüber hinaus. Das Forum sei eine Art ehrenamtliches Quartiersmanagement. Die Teilhabe funktioniere nicht von oben nach unten, sagt Christian Hampe, „nicht so, dass jemand andere beteiligt und teilhaben lässt. Wir kommen zusammen und reden über ein Thema. So entsteht ein Meinungsbild und der Auftrag, es zu vertreten. Dadurch gibt es eine ganz andere Wirksamkeit, eine andere Macht“, zum Beispiel gegenüber Stadtverwaltung, Lokalpolitikern und Investoren, also den Menschen, die Entscheidungen für das Quartier treffen. Weil das Forum die Entwicklung langfristig begleitet, könne es kritisch sein, ohne als „Bürgerinitiative gegen etwas“ dazustehen, und konstruktiv nach Lösungen suchen, sagt David J. Becher. „Für mich persönlich ist das der größte Raum für gesellschaftspolitische Wirksamkeit“, eine Basis für demokratische Aushandlungsprozesse, „ich kann in meinem Umfeld unmittelbar aktiv werden, das motiviert mich wahnsinnig.“
Schon vor Gründung des Forums waren Institutionen miteinander vernetzt, doch meist zu einzelnen Aspekten wie Kultur, Soziales, Stadtentwicklung. „Bei uns sind die Themen breit aufgestellt“, sagt Christian Hampe. „Die Akteure kommen in einen Austausch, sodass nicht jeder sein eigenes Süppchen kocht, und es vielleicht verkocht, sodass die Ergebnisse am Ende sinnvoller sind.“ Oder auf den Punkt gebracht: „Das Forum Mirke steht für Kommunikation, Vernetzung, Kooperation im Quartier. Miteinander stärken wir die soziale, kulturelle, ökonomische und politische Quartiersentwicklung.“ So das Selbstverständnis, das kurz nach Gründung entwickelt und schriftlich festgehalten wurde.
Anlass der Gründung war die finanzielle Förderung für Utopiastadt im Mirker Bahnhof. „Die Frage war, wie diese Begegnungsstätte eigentlich in das Quartier eingebunden ist. Und umgekehrt, wie das Quartier stärker von einer solchen Einrichtung profitieren kann“, erklärt Thomas Weyland. Das Forum Mirke als Stadtteilkonferenz sollte möglichst vielen Interessierten die Gelegenheit geben, ihre Ideen einzubringen, die Geschicke des Quartiers selbst in die Hand zu nehmen.
Das Forum kommt alle zwei Monate zusammen, an unterschiedlichen Orten, um die Ecken des Quartiers besser kennenzulernen. Zu bestimmten Themen gibt es zusätzlich das Format „Stadtentwicklungssalon“ zur Mobilitätswende, wo das Bündnis „Mobiles Wuppertal“ entstand, zum Wohnen ohne Gentrifizierung, und zuletzt zu Zukunftsflächen. Flächen, deren Entwicklung derzeit unklar ist, namentlich das Süd-Ost-Areal an der Nordbahntrasse und die Diakoniekirche. Der Stadtentwicklungssalon hat oft einen Workshop-Charakter. „Wir besprechen die Blickwinkel auf die Beispiele in der Mirke, aber mit Methoden, die es möglich machen, das mitzunehmen und nutzbar zu machen für andere Quartiere und Städte“, sagt Christian Hampe.
Um viele kleinere Projekte ganz direkt und praktisch umsetzen zu können, gab es von 2016 bis 2022 den Quartierfonds: rund 40 000 Euro Fördergeld im Jahr für jeweils ein Dutzend Ideen. „Wir haben schon gemerkt, dass es für manche Maßnahmen Geld braucht“, sagt Thomas Weyland. Ein Beirat, nicht deckungsgleich mit dem Forum-Orga-Team, hat entschieden, wie das Geld verteilt wird. Es gab Geld für einen Müll-Sammel-Wagen, für ein Kunstprojekt mit Schülern, für einen Gedenkort, für ein Erzählcafé für Senioren, für Sitzgelegenheiten, für das Supagolf-Jubiläum und viele weitere Mitmachprojekte.
Ideen wie eine Quartierskarte, ein Fahrradverleih an der Trasse und ein gemeinsamer Nutzgarten wurden in den ersten zehn Jahren des Forums Mirke umgesetzt. Auch für die nächsten zehn Jahre und darüber hinaus gibt es viele Wünsche und Ideen, die das Forum begleiten will: eine Grünbrücke über die A46 beispielsweise und ein Park an Stelle von freigezogener Friedhofsfläche. Hinzu kommen die Langzeitprojekte. Die Zukunft des Autonomen Zentrums, die Begleitung des Moschee-Neubaus, die neue Nutzung der Diakonie-Kirche. „Wir wollen diese Themen präsent halten“, sagt Christian Hampe, „die Möglichkeit bieten, den Entscheidern direkt Fragen zu stellen“, und die Entwicklung der Mirke begleiten.