Freies Netzwerk Kultur Wuppertaler Kultur-Kolumne: Zirkel zeichnen Kreise um ein Zentrum

Wuppertal · Tine Lowisch lässt ein paar ihrer Gedanken zu kultureller Teilhabe kreisen.

Tine Lowisch

Tine Lowisch

Foto: CLAUDIA SCHEER VAN ERP

Das neue Happening von Boris Charmatz heißt CERCLES. Der Intendant öffnet damit den Inner-Tanzzirkel für alle Körper, Kulturen und Generationen. Dieses Zirkeltraining ist ein Beitrag zur Vorbereitung auf das Pina Bausch Zentrum. Sein zweiter Baustein (nach Wundertal), der die Stadtgesellschaft Wuppertals mit dem Tanzzentrum in Verbindung bringen will.

Dazu kommt der Start des FRAGILE-Festivals an der Kluse, die gerade eröffneten Spielzeiten der Wuppertaler Bühnen, die WOGA Ost und West und viele andere Termine im Kunst- und Kultur-Kalender mehr. Das Sommerloch schließt sich also und die offizielle Saison startet wieder durch. Ich habe nie ganz verstanden, warum Kunst- und Kulturinstitutionen das Potenzial der Sommermonate mehr oder weniger liegen lassen. Die Zeit im Jahr, in der so viele Menschen doch endlich einmal Zeit haben, Kulturangebote überhaupt wahrzunehmen. In den zehn Jahren, in denen wir in der Kunststation Wuppertal den Schwerpunkt unserer Bemühungen auf die Sommermonate gelegt hatten, um die Sommerpause des benachbarten Bürgerbahnhofs auszugleichen, haben wir mit diesem ehrenamtlichen Ergänzungsprogramm durchweg gute Erfahrungen gemacht und darüber hinaus festgestellt, dass gerade in den Sommerferien sehr viele Menschen auf einen kostengünstigen Tagesausflug angewiesen sind. Kulturelle Teilhabe hat viel mit dem sozioökonomischen Status zu tun. Mit der Frage: Mit welchem frei verfügbaren Einkommen lebe ich? Im aktuellen Kunstforum lese ich von einer Non-Profit-Organisation, die auch, genauso wie wir, Kunst im Bürgerauftrag organisiert. Diese neuen Auftraggeber vermitteln schon seit 2007 zwischen Bürgerinnen und Bürgern, die als Initiatoren für Kunstprojekte auftreten, diese Projekte, an Künstlerinnen und Künstler. Gerne im ländlichen Raum, immer auf der Grundlage eines Protokolls, das der Künstler Francois Hers als Erfinder der Nouveaux Commanditaires 1990 in Frankreich entworfen hat. Die Idee dahinter: Kunst im Bürgerauftrag, als „kulturpolitisches Großprojekt von historischer Dimension“. Es geht darum, über den Ansatz des freien Marktes, der sich ja durch Angebot und Nachfrage reguliert, hinauszudenken, und es geht darum, die Wünsche der Menschen an die Kultur, genauer kennenzulernen. Der Begriff der „aufsuchenden Praxis“ aus der Kunst-und Kultur-Förderlandschaft ist dabei besonders interessant, denn ausgerechnet im Rahmen der Freiheit der Kunst ist Selbstermächtigung und Mitbestimmung paradoxerweise eine Methode, die durch die vorhandenen, gewachsenen Strukturen zunächst erschwert – und dann doch gerne übernommen wird.

Da der Sommer nun zu Ende ist, ist jetzt also die beste Zeit, sich neue Kunstprojekte für das Sommerloch 2025 zu überlegen, um genau dann ins Handeln zu kommen, wenn andere Ferien machen. Kunstprojekte, die im besten Fall ein soziales Kunstverständnis auf andere gesellschaftliche Baustellen überträgt. Der unbekannte und doch sehr prominente britische Künstler Banksy schuf (im Kollektiv?) zum Beispiel mal eine Installation mit Fernsehgeräten auf deren Bildschirmen der Schriftzug „in the future, everyone will be anonymous for 15 minutes“ zu lesen war und kommentierte damit die „fifteen minutes of fame“ die nach dem US-amerikanischen „Factory“ Künstler Andy Warhol jedem zustehen. So etwas vielleicht. Etwas, das Gedanken zu kultureller Teilhabe tanzen lässt. Etwas, das wie CERCLES, erweiterte Zirkel um eine zentrale, soziale Frage kreisen lässt.