Udo Lindenberg: "Alte Männer sind gefährlich"
Interview: Der Ewigrockerlegt nach acht Jahren Pause ein neues Album vor. Ein Gespräch über seine Songs.
Krisen - im Song "Ich zieh meinen Hut" singen Sie über Höhen und Tiefen. Sind Sie nach all ihren Erfahrungen vor Krisen gefeit?
Udo Lindenberg: Meine Midlife-Krise hatte ich bereits mit 28, die Endzeit-Misere um die 40 rum. Als Rock’n’Roller dachte ich doch früher, dass ich sowieso nie so alt werde. Nun sind die ganzen fiesen Krisen vorbei, doch sie waren sehr wichtig und richtig. Die Krisen haben meine Seele gestählt - sie mit allen Wassern und Whiskeys gewaschen. Jetzt habe ich den Kopf frei für Neues.
Freunde - Haben Sie echte Freunde oder bezahlt man für den Ruhm mit Misstrauen?
Lindenberg: Freundschaft ist für mich das Wichtigste auf der Welt. Zu Beginn meiner Karriere wusste ich manchmal nicht: Sprechen die jetzt mit meinem Poster oder mit mir? Meinen die mich oder den Ruhm-Service? Doch mit der Zeit erkennt man sofort, wo die richtigen Freunde sind.
Zeit - Ihr Ziel haben Sie immer konsequent verfolgt. Doch was hat die Zeit mit dem kleinen Udo gemacht?
Lindenberg: Ich bin der Zeit doch nicht wehrlos ausgeliefert, will ihr nicht meine Träume und Fantasie opfern. Sich bequem zurücklehnen, zufrieden und schlaff? Nee, das Feuer von früher muss für immer bleiben und mir auch beim Texten helfen. Der kleine Robinson-Crusoe-Junge, der ich mal war, ist als Automatik fest eingebaut. Auch in einer Beziehung darf man sich nie auf den Warteschleifen des Lebens einrichten. Wenn man dann landet, ist der Flieger voller toter Passagiere.
Karriere - haben Sie alles erreicht, was Sie wollten?
Lindenberg: Ja, das meiste. Ich wollte echt reich und berühmt werden. Schon mit zwölf habe ich das jedem in Gronau erzählt, aber damals hat mich jeder für einen Spinner gehalten. Doch wie man sieht: Als Spinner kann man es weit bringen im Leben.
Alter - früher haben sie getextet "Wenn ich mal alt bin, geh’ ich am Stock". Mit 61 Jahren sind Sie heute überzeugt: "Der Greis ist heiß". Keine Angst vor dem Alter?
Lindenberg: Ich sehe mich nicht als jemand, der der irdischen Zeitzählung unterliegt, sondern fühle mich eher alterslos. Wenn Alter allerdings einhergeht mit Radikalität und Meisterschaft, bin ich durchaus damit einverstanden. Je älter man wird, desto weniger hat man zu verlieren. Die Risikofreude wächst: Alte Männer sind gefährlich, denn die Zukunft ist egal.
Alkohol - welche Rolle spielt der von Ihnen als "Woddy Woddy Wodka" besungene "Treibstoff" in Ihrem Leben?
Lindenberg: Alkohol ist ein Reiseproviant durchs Künstlerleben, aber man muss damit vernünftig umgehen können. Mir ist das nicht immer gelungen, ich habe meinem Körper ganz schön etwas zugemutet. Heute kommt Alkohol bei mir seltener zum Einsatz, nur noch "gezielt". Ansonsten schwöre ich auf ostasiatische Kräutermixturen.
Liebe - haben Sie immer noch die Angst vor Beziehungsstress?
Persönlich: Er wurde am 17.Mai 1946 in Gronau geboren. Heute gibt der Rockmusiker als Beruf "Udo Lindenberg" an, macht auch als Maler von sich reden und residiert seit 14 Jahren in einem Hamburger Nobelhotel.
Album: "Stark wie Zwei" (Warner Music) wird am Freitag veröffentlicht - "ein Psychogramm in Panik-Poesie", sagt Lindenberg. Mitgearbeitet haben unter anderem Annette Humpe, Jan Delay, Silbermond und Helge Schneider.