Allparteien-Regierung in Nordirland vereidigt
Historischer Moment im Parlament in Belfast: Die Unruheprovinz hofft jetzt auf Frieden.
Belfast. Mehr als drei Jahrzehnte lang hat Nordirland auf Frieden gewartet, doch der historische Moment, mit dem das Ende einer Ära von Hass und Gewalt besiegelt wird, dauert nur Minuten: Erst schnarrt der 81-jährige Ian Paisley seinen Amtseid, dann knödelt Martin McGuinness (56) dieselben Worte, hernach herrscht Stille im Regionalparlament Stormont in Belfast. Damit sind zwei Männer als Regierungschefs vereidigt, die bis vor kurzem nicht einmal mit einander gesprochen haben. Zwei Männer, die sich in der Vergangenheit bekämpften und nun gemeinsam eine Zukunft aufbauen sollen für ihr Land. Ian Paisley, der greise Chef der protestantischen "Democratic Unionist Party" (DUP), hat sich einen zweifelhaften Ruf als "Dr. No" erworben, hat sein Leben lang jede Zusammenarbeit mit den Katholiken als "Pakt mit dem Teufel" abgelehnt. Nun hat er als seinen Stellvertreter an der Spitze der Allparteienregierung ausgerechnet den Vize-Chef der katholischen "Sinn Fein" McGuinness, der früher der Untergrundorganisation IRA angehörte. Seit der Wahl Anfang März, aus der ihre Parteien als die beiden stärksten Kräfte hervorgegangen waren, hatten sie um die Bildung einer gemeinsamen Regierung gerungen. Denn an diesem Dienstag lief eine Frist ab, die der britische Premierminister Tony Blair ihnen gesetzt hatte: Hätten sie sich nicht verständigt, wäre die Regierungsgewalt über Nordirland in London verblieben. So aber wird wahr, was schon das Karfreitags-Abkommen von 1998 vorsah, dass Nordirland weitgehend unabhängig ist und sich selbst verwaltet. Blair hat mit seinem wohlmeinenden Ultimatum erzwungen, dass sich die Hardliner beider Seiten zusammenraufen, weil er nur sie für fähig hält, in der notorischen Unruheprovinz einen Frieden von Dauer zu installieren. Ein Jahrzehnt hat sich der britische Regierungschef für dieses Ziel eingesetzt, zuletzt vor allem unterstützt von seinem irischen Amtskollegen Bertie Ahern.
An diesem Dienstag treffen beide gemeinsam im Stormont ein, wo sie zum Tee mit Paisley, McGuinness und dem scheidenden Nordirlandminister Peter Hain zusammenkommen. Wenige Minuten nach der knappen Vereidigung im Parlament sitzen die fünf Männer plaudernd in Paisleys Büro, scherzen, lächeln in die Fernsehkameras. So ungezwungen wirkt diese Tee-Party, dass man vergessen könnte, wie ungewöhnlich sie ist.