Analyse: Das Zwitschern am Wahltag ist riskant
Wer frühzeitig Tendenzen ausplaudert, muss mit hohen Bußgeldern rechnen.
Düsseldorf. Das "Zwitschern" im Netz entwickelte sich zur Affäre, zur Twitter-Affäre: Während die Mitglieder der Bundesversammlung am 23. Mai noch sehnlichst auf das Ergebnis der Bundespräsidentenwahl warteten, verbreiteten mehrere Abgeordnete bereits im Internet oder per Handy, dass Horst Köhler seine zweite Amtszeit antreten kann. Theoretisch möglich ist dieses Durchstechen von Informationen auch bei der Bundestagswahl am 27. September - und sie könnte dann weitaus schwerwiegendere Konsequenzen haben.
Entscheidend wird sein, ob am Wahltag vor 18 Uhr im Internet gezwitschert wird. Denn die beiden Meinungsforschungsinstitute Infratest dimap und Forschungsgruppe Wahlen führen Wählerbefragungen durch, auf deren Grundlage dann die Prognosen für ARD und ZDF um 18 Uhr erstellt werden (siehe Kasten).
Genau hier sieht der Bundeswahlleiter mögliche undichte Stellen: So könnte die Prognose sowohl bei den Instituten durchsickern, als auch bei den Parteien. Ein enger Kreis von Politikern wird am späten Nachmittag des Wahltages über eine Tendenz dieser Prognose informiert. Nun wäre auch in Vorjahren möglich gewesen, beispielsweise per E-Mail diese Informationen auszuplaudern. Das Besondere an Twitter: Die Nachrichten verbreiten sich rasend schnell im weltweiten Netz.
Dennoch erwartet Klaus Pötzsch, Sprecher des Bundeswahlleiters, keine Probleme. Im Bundeswahlgesetz sei es strikt untersagt, solche Informationen vor Schließen der Wahllokale bekannt zu geben. Bei Zuwiderhandeln drohen Bußgelder von bis zu 50 000 Euro. Zudem habe es bislang niemals Verstöße gegeben - und es gebe auch keine Veranlassung zur Sorge, dass dies bei der diesjährigen Bundestagswahl passiere.
Und wenn dann doch ein Vögelchen am Wahltag zwitschert? Dann besteht grundsätzlich die Gefahr, dass das Wahlverhalten beeinflusst, das Wahlergebnis damit verfälscht wird.
Bürger, Parteien, aber auch der Präsident des Bundestages sowie der Bundeswahlleiter und die Wahlleiter der Länder können nach Angaben von Pötzsch Einspruch gegen das Ergebnis des Urnengangs einlegen. Die Entscheidung fällt dann der Deutsche Bundestag.