Koalitionsende: Zwei wie Hund und Katz
Carstensen (CDU) und Stegner (SPD) sind in Schleswig-Holstein schon seit Jahren selten einer Meinung.
Berlin. Wer etwas gegen stromlinienförmige, kaum unterscheidbare Politiker hat, der wurde bei Peter Harry Carstensen und Ralf Stegner bis zuletzt eigentlich ordentlich bedient.
Der CDU-Ministerpräsident Schleswig-Holsteins, ein an den Schlagersänger Roger Whittaker erinnernder gemütlicher Landwirt, der fließend Platt spricht und sich bei Volksfesteröffnungen augenscheinlich am wohlsten fühlt, und sein SPD-Kontrahent in der Regierung, ein auch an der amerikanischen Harvard-Universität ausgebildeter Politikwissenschaftler, der in Talkshows oft so verkniffen guckt, als müsse er dringend austreten, leben zwei herzlich unverträgliche Politikstile.
Dass Carstensen die politische Wohngemeinschaft mit der Stegner-SPD aufkündigen will und zeitgleich mit der Bundestagswahl erneut abstimmen lassen möchte, in der Hoffnung, dann die FDP als neuen Untermieter zugewiesen zu bekommen, ist darum nicht überraschend und hat am Donnerstag auf Bundesebene die erwarteten Reaktion ausgelöst: CDU, FDP und Grüne sprechen von Befreiungsschlag, Schlussstrich und einem "Signal für Berlin".
Die SPD dagegen schüttelt den Kopf und will sich nicht vom Hof jagen lassen. Auffällig: Spitzenpolitiker von Union und SPD hielten sich bedeckt.
Rückblick: Schon der Auftakt der Großen Koalition im Norden geriet zur Blamage. Die SPD verlor 2005 die Wahl. Aber SPD-Ministerpräsidentin Heide Simonis wollte mit Unterstützung von Grünen und Südschleswigschem Wählerverband eine hauchdünne Mehrheit basteln, die ihr bei der geheimen Ministerpräsidentenwahl von einem bis heute nicht enttarnten "Parteifreund" zerschossen wurde. Erst danach drehte die SPD bei und wurde Juniorpartner in der von Carstensen geführten Regierung.
Ralf Stegner (49), gebürtiger Rheinland-Pfälzer, ein Mann, der Politik als Kampfsport betreibt, suchte die ständige Konfrontation mit dem aus seiner Sicht politischen Warmduscher Carstensen.
Der 62-Jährige wiederum, eine auf der Insel Nordstrand geborene joviale Frohnatur, hält Stegner für einen dauernörgelnden Besserwisser, triezte den Fliege-Träger, wo es nur ging, und feuerte ihn schließlich Anfang 2008 als Innenminister. Stegner hat das nie verwunden; auch weil er in dieser Funktion bundespolitisch das rote Gegengewicht zu Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble spielen wollte.
In den Niederungen des politischen Alltags kamen die Koalitionäre zuletzt immer seltener auf einen Nenner. Ob beim großen Sparprogramm im öffentlichen Dienst, der Frage kostenloser Kita-Plätze oder dem Streitthema Schuldenbremse im Grundgesetz - SPD und CDU waren ständig im Clinch.
Auslöser der Eskalation soll der Dauerskandal um HSH Nordbank, die Landesbank Hamburgs und Schleswig-Holsteins, gewesen sein, die in der Finanzkrise Milliarden verzockt hat. Zuletzt kam heraus, dass der Vorstandschef der Bank trotzdem einen Bonus von rund drei Millionen Euro kassierte. Carstensen sagt: Die SPD hat das mitgetragen. Stegner sagt: Niemals, Carstensen lügt.
Das Duell zwischen Carstensen und Stegner fügt sich in eine an Eskapaden reiche Landesgeschichte. Seit der Zeit, als der frühere CDU-Ministerpräsident Uwe Barschel nach Ableistung eines historischen Ehrenwortes tot in einer Schweizer Wanne gefunden wurde, macht Schleswig-Holstein Schlagzeilen mit politischen Verwerfungen größeren Ausmaßes.
Auf Barschels Tod, besser bekannt als "Waterkant-Gate", folgte die Schubladenaffäre samt Rücktritt des damaligen SPD-Ministerpräsidenten Björn Engholm. Engholms Nachfolgerin Heide Simonis wurde aus den eigenen Reihen gemeuchelt. Wer weiß, ob Carstensen das Manöver Stegner langfristig überlebt.