Analyse: McCains Vorzeigefrau missbrauchte ihr Amt
Ausschuss wirft Sarah Palin vor, aus persönlichen Gründen Polizeichef gefeuert zu haben.
Washington. Für den republikanischen Bewerber um das Amt des US-Präsidenten, John McCain, ist es ein erneuter Rückschlag in seinem Wahlkampf: Weniger als vier Wochen vor dem Urnengang ist ein Sonderermittler in Alaska zu dem Schluss gekommen, dass McCains Vizepräsidentschaftskandidatin Sarah Palin ihr Amt als Gouverneurin des flächenmäßig größten US-Bundesstaats missbraucht hat.
Juristische Konsequenzen haben die Vorwürfe gegen Palin zwar nicht, könnten aber den Absturz der Republikaner in der Wählergunst weiter beschleunigen.
Als McCain nach der offiziellen Nominierung von Obama zum Kandidaten die Gouverneurin von Alaska zu seiner designierten Stellvertreterin berief, sprachen politische Experten zunächst von einem genialen Schachzug.
McCains Berater hofften, dass ihr Kandidat nun auf die Stimmen unentschlossener Demokraten setzen könne, insbesondere verärgerter Hillary-Clinton-Anhänger, die darüber irritiert waren, dass Obama die frühere First Lady nicht zu seiner Nummer Zwei gemacht hatte.
Für einige Zeit schien die Rechnung aufzugehen. McCain legte in den Umfragen deutlich zu, und mehrere Wochen lang lieferten sich die Spitzenkandidaten ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Doch seit der Zuspitzung der globalen Finanzkrise ist Obama seinem Rivalen davongezogen. Und die Senkrechtstarterin Palin hat sich zunehmend zur politischen Hypothek entwickelt, die vor allem in der Fernsehdebatte mit Obamas Nummer Zwei Joe Biden den Eindruck einer unbelesenen Provinzpolitikerin machte.
Nun steht aber auch ihr Ruf als Reformerin und Einzelgängerin auf dem Spiel, die gegen Korruption und Machtmissbrauch in der Regierung kämpfen will. Als Gouverneurin, so stellte Sonderermittler Stephen Branchflower fest, habe sie aus privaten Rachegelüsten für die Entlassung ihres ehemaligen Schwagers aus dem Polizeidienst gekämpft.
In dem 263 Seiten umfassenden Bericht wird eine sorgfältig inszenierte Vendetta beschrieben, mit der Palin und ihr Ehemann den Polizisten Michael Wooten zu diskreditieren versuchten. Und sie feuerte sogar einen Polizeichef, weil dieser sich geweigert hatte, an der Kampagne gegen den früheren Ehemann ihrer Schwester teilzunehmen.