Anschlag: Der Horror von Kundus

Bei einem Selbstmordanschlag kamen am Samstag in Kundus drei deutsche Soldaten und fünf afghanische Zivilisten ums Leben. Weil die deutschen Soldaten die Nähe zu den Afghanen suchen, sind sie leicht anzugreifen.

<strong>Kabul. Mehr als eineinhalb Jahre lang hatte die Bundeswehr in Afghanistan keine Opfer zu beklagen. Am Samstag kamen nun bei einem Selbstmordanschlag in Kundus gleich drei deutsche Soldaten ums Leben. Außerdem starben fünf afghanische Zivilisten. Es ist der schwerste Anschlag auf die Deutschen am Hindukusch seit Juni 2003, als ein Selbstmordattentäter in Kabul vier Soldaten mit in den Tod riss, 29 überlebten damals teils schwer verletzt, manche von ihnen leiden bis heute unter den Folgen. Aufschrecken dürfte nun nicht nur der jüngste Anschlag, sondern auch Warnungen, dass weitere Selbstmordattentäter bereit stehen könnten. Der Gouverneur der Provinz Kundus sagte, er habe Informationen, dass vier Selbstmordattentäter in die Provinz eingesickert seien. Sollte das zutreffen, warten noch drei weitere radikal-islamische Rebellen darauf, ihr Leben für den "Dschihad" opfern zu dürfen.

Deutsche Standorte in Afghanistan sind nicht sicher

Nur wenige Stunden dauerte es, bis sich die Taliban zum Anschlag bekannten. Ihnen dürfte derzeit viel daran liegen, ungebrochene Kampfeskraft zu demonstrieren. Vor gut einer Woche töteten US-Truppen ihren "Militärchef" Mullah Dadullah. Die Taliban schworen Vergeltung. Der einbeinige Mullah Dadullah hatte in Interviews damit geprahlt, Wartelisten für Selbstmordattentäter führen zu müssen - so groß sei der Andrang der Freiwilligen und der Hass auf die "Ungläubigen". Diese Attentäter sind die neue und schärfste Waffe der Taliban. Der nächste Selbstmordanschlag folgte schon am Sonntag: Im südostafghanischen Gardes sprengte sich ein erst etwa 18 Jahre alter Mann in die Luft, mindestens zehn Zivilisten starben. Im vergangenen Jahr mussten die Taliban durch schmerzhafte Verluste lernen, dass sie auf dem Schlachtfeld gegen die hochgerüsteten ausländischen Truppen nicht bestehen können. Die Rebellen verlegten sich auf Sprengfallen - und auf Selbstmordanschläge, die kaum zu verhindern sind. Der Norden Afghanistans leidet unter dem radikal-islamischen Aufstand zwar weniger als der umkämpfte Süden. Doch auch die Nordregion, wo die Bundeswehr ihren Einsatzschwerpunkt hat, ist gefährlich. 2006 kam es an allen deutschen Standorten - Kundus, Feisabad, Masar-i-Scharif und Kabul - zu Angriffen. Sprengsätze explodierten, Feldlager wurden beschossen, Konvois gerieten in den Hinterhalt. Mehrere Soldaten wurden verletzt, aber bis Samstag waren keine Toten zu beklagen.

Die Deutschen sind leicht anzugreifen. Sie suchen den Kontakt mit der Bevölkerung. Das macht sie bei vielen Afghanen beliebt - aber eben auch verwundbar. Die Soldaten in Kundus waren auf einem Markt unterwegs, um technisches Gerät einzukaufen. Direkt neben ihnen sprengte sich der Attentäter in die Luft.

Isaf-Einsätze: Im Rahmen der Isaf-Friedensmission in Afghanistan sind bislang 21 deutsche Soldaten getötet worden. Nach Überzeugung von Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) wird die Bundeswehr bei ihrem Einsatz auch künftig Risiken eingehen müssen.

6. März 2002: Beim Versuch, eine russische SA-3-Bodenluftrakete zu entschärfen, sterben zwei Oberfeldwebel der Bundeswehr und drei dänische Kameraden.

21. Dezember 2002: Bei einem Hubschrauber-Absturz in Kabul werden sieben Soldaten getötet. Es ist das schwerste Unglück bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Ursache ist ein Materialfehler.

29. Mai 2003: Ein Geländewagen fährt in Kabul auf eine Mine. Ein deutscher Soldat stirbt.

7. Juni 2003: In Kabul werden bei einem Selbstmordattentat vier Soldaten getötet und 29 verletzt.

25. Juni 2005: Zwei Soldaten kommen bei einem Unfall in Rustak im Norden Afghanistans ums Leben, als beim Verladen von Munition ein Teil der Ladung explodiert.

10. August 2005: Südöstlich von Kabul überschlägt sich ein Geländefahrzeug vom Typ "Wolf". Ein Soldat stirbt, drei weitere werden verletzt.

14. November 2005: Bei einem Selbstmordattentat in Kabul wird ein Bundeswehrsoldat getötet, zwei wurden verletzt. Zu dem Anschlag bekennen sich die Taliban.