In Samara flogen die Fetzen
Spitzentreffen: Merkel und Putin redeten Tacheles. Die Zeichen stehen jetzt auf Abwarten.
<strong>Samara. Wladimir Putin gab sich richtig Mühe. Zunächst ein Sonderkonzert mit Solisten des Bolschoi-Theaters und deutschen wie russischen Volksliedern. Anschließend ein Abendessen mit Stör, Soljanka und Eisbombe. Und schließlich die Einladung für Angela Merkel und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso zu einer nächtlichen Bootsfahrt auf der Wolga. Am nächsten Tag allerdings flogen beim Abschluss des Gipfels - diplomatisch verpackt - die Fetzen. Sowohl Merkel als auch Putin nahmen die Ankündigung einer offenen Ausrede wörtlich.
Ein Hauch von Romantik sollte atmosphärisch die Krisenwolken vertreiben, die seit Monaten lange Schatten auf das Verhältnis zwischen EU und Moskau warfen. Putins Entspannungsdramaturgie verfehlte zunächst nicht ihre Wirkung. Als er mit Merkel am Morgen zum offiziellen Gipfelauftakt auf der Wolgaterrasse vor dem Konferenzsaal bei hochsommerlichen Temperaturen zum Foto posierte, plauderten beide angeregt miteinander. "Wir wollen und sind bereit zum offenen Gespräch ohne Tabuthemen", eröffnete Putin dann die offizielle Runde.
Das zweite EU-Russland-Spitzentreffen während der deutschen EU-Präsidentschaft war gewissermaßen nur deshalb ein Erfolg, weil es überhaupt stattfand. "Wir brauchen einander, also müssen wir miteinander reden", erklärte Merkel. Damit erschöpften sich beim 19. EU-Russland-Gipfel die Gemeinsamkeiten.
Auf der Abschlusspressekonferenz wurden kaum konkrete Ergebnisse verkündet. Dafür schenkten sich die Gipfelteilnehmer bei den Hauptstreitpunkten nichts. Merkel hielt Putins Staatsmacht vor, Ex-Schachweltmeister Garri Kasparow den Weg zu Demonstrationen nach Samara verwehrt zu haben. Putin wiederum verwies auf über 160 Demonstranten, die jüngst in Hamburg festgenommen worden seien.
Die estnischen Behörden hätten einen russlandfreundlichen Demonstranten sterben lassen, griff Putin außerdem an. "Wir sollten nicht mit dem Finger aufeinander zeigen." Am Ende des Presseauftritts zog er eine nüchterne Bilanz des Verhältnisses zur erweiterten EU: "Die Lage ist nicht besser oder schlechter, sie ist einfach schwieriger."
Nach dem Krisengipfel stehen die Zeichen zwischen EU und Russland auf Abwarten. Merkel warb dafür, die Neuauflage des Russlandabkommens schnell in Angriff zu nehmen, möglichst noch während der deutschen Präsidentschaft. Doch der vor Selbstbewusstsein strotzende Putin, der alle Schuld an den Zerwürfnissen von sich wies, gab wenig Anlass zur Hoffnung.