Belgien: Regierung nach 192 Tagen Krise

Verhofstadt soll nun Flamen und Wallonen wieder versöhnen. Sein designierter Nachfolger Leterme muss sich noch gedulden.

Brüssel. Pünktlich zum Weihnachtsfest bekommen die Belgier nach 192 Tagen Staatskrise ein ganz besonderes Geschenk: eine funktionierende Bundesregierung. Paradox und typisch belgisch zugleich: Ausgerechnet der liberale Guy Verhofstadt, der bei der Parlamentswahl am 10. Juni abgewählt wurde, steht an der Spitze der Übergangsregierung. Und der flämische Christdemokrat Yves Leterme, der tatsächliche Sieger, muss sich vorerst mit der Rolle als Vize-Premier begnügen.

So kompliziert war eine Regierungsbildung im kleinen Königreich noch nie. Der alte Rekord - 148 Tage ohne handlungsfähige Regierung - wurde schon im November gebrochen. Aber die Belgier begegneten der Krise mit der landestypischen Mischung aus beißender Ironie und demonstrativer Gleichgültigkeit.

Besonders glücklos agierte Yves Leterme. Zweimal beauftragte König Albert II. den flämischen Christdemokraten mit der Regierungsbildung - und zweimal scheiterte er grandios. Anstatt die widerstrebenden Frankophonen zu gewinnen, stieß er sie mehrfach vor den Kopf. Etwa, indem er den frankophonen Staatssender RTBF mit dem gefürchteten Sender "Radio Mille Collines" verglich, der während des Völkermords in Ruanda zum Töten aufrief. Peinlich auch der Flop vom Sommer, als er die französische "Marseillaise" trällerte, anstatt wie von TV-Reportern gewünscht, die "Brabanconne", die belgische Nationalhymne, zu singen.

Ganz anders Guy Verhofstadt. Der liberale Flame, der schon zwei Mal Premierminister war und 2004 als künftiger EU-Kommissionspräsident gehandelt wurde, gilt in dem zerrissenen Land als der "letzte wahre Belgier". Bezeichnend: In allen Landesteilen ist er der beliebteste Politiker. "Gottvater der Politik" nennt ihn augenzwinkernd Bart Sturtewagen, der Chefredakteur von "De Standaard".

Binnen zwei Tagen sollte Guy Verhofstadt das Unmögliche schaffen: eine tragfähige Fünf-Parteien-Koalition aus flämischen und wallonischen Christdemokraten und Liberalen sowie frankophonen Sozialisten. Der Kompromiss sieht vor, dass "Verhofstadt III" bis zum 23. März im Amt bleibt. Bis dahin soll der erfolglose Leterme eine stabile Nachfolge-Regierung schmieden.

Zwar kündigte Guy Verhofstadt an, dass er sich um drängende soziale und wirtschaftliche Fragen kümmern werde. Den heikelsten Streitpunkt, die Staatsreform, packt er hingegen nicht an.