Benazir Bhutto: Geliebt, bewundert – und verhasst
Die 54-jährige Politikerin Bhutto polarisierte seit den 80er Jahren die Nation. Am Donnerstag starb sie durch ein Selbstmordattentat.
Islamabad. Als sie im Oktober nach langjährigem Exil in ihre pakistanische Heimat zurückkehrte und ein triumphales Comeback anstrebte, wurden bei einem Bombenanschlag ganz in ihrer Nähe 139 Menschen getötet. Die Rückkehr der ehemaligen Ministerpräsidentin Benazir Bhutto aus dem Exil stand unter einem schlechten Stern.
Bhutto, die sich als Retterin der Demokratie verstand, polarisierte die Pakistaner. Bei einer Wahlkampfveranstaltung in Rawalpindi vollendete ein Selbstmordattentäter am Donnerstag die Tragödie der Benazir Bhutto: Die 54-Jährige wurde zwar noch ins Krankenhaus geliefert, aber kurz nach dem Anschlag erlag sie ihren Verletzungen.
Die Rückkehr aus dem Exil im Oktober war für Bhutto wie ein Déjà-vu-Erlebnis. 1986 kehrte sie bereits einmal - nach zwei Jahren im Ausland - nach Lahore zurück. Millionen bejubelten sie damals und bestreuten ihren Weg mit Rosenblüten. Die 160 Millionen Pakistaner erlitten nur schwer die Militärherrschaft des Generals Zia ul Haq.
Fünf Jahre lang hatten Benazir Bhutto und ihre Familie unter Hausarrest gestanden, erst 1984 ließ der General sie ausreisen. Bhuttos Chance kam, als der Militärdiktator 1988 bei einem nie geklärten Flugzeugabsturz ums Leben kam - sie gewann darauf die Parlamentswahlen und wurde zur Regierungschefin ernannt. Bei den Wahlen am 8. Januar wollte sie dieses Amt erneut erringen.
Wer auch immer für den Mord an Benazir Bhutto verantwortlich ist, er hat nicht nur Pakistan ein Stück weiter an den Rand des Zusammenbruchs gebracht. Der Mord gefährdet auch den Erfolg der ohnehin wenig aussichtsreichen westlichen Afghanistan-Strategie. Denn Pakistan ist auch heute - wie zur Zeit des russischen Engagements - in einer Schlüsselrolle, die über Erfolg oder Misserfolg jeder Staatsbildung in Afghanistan entscheidet.
Es war das offensichtliche Versagen des Militärherrschers Mu-sharraf, das die Rückkehr der schon zweimal gescheiterten Ex-Regierungschefin Bhutto nach Islamabad möglich machte. Ein von Washington vermittelter Handel, wonach Musharraf erneut als Präsident gewählt wird, anschließend die Uniform auszieht, darauf eine künftige Premierministerin Bhutto als vermutliche Siegerin bei den Parlamentswahlen dem Land ein ziviles Gesicht gibt und den wachsenden Einfluss islamistischer Kräfte zumindest stoppt. Mit dem Tod Bhuttos ist die Geschäftsgrundlage dieses Handels entfallen.
Aber ein in Anarchie und Bürgerkrieg fallendes Pakistan ist nicht nur wegen seines Atomwaffenarsenals ein geostrategischer Alptraum. Schon heute werden weite Stammesgebiete an der afghanischen Grenze nicht mehr von Islamabad kontrolliert. Aber nur im Schatten eines halbwegs stabilen Pakistan könnte sich so etwas wie eine afghanische Staatlichkeit festigen. Fällt dieser Anker weg, droht das einzutreten, was durch die militärische Besatzung heute nur notdürftig verdeckt wird: Ein von Tadschiken und Usbeken dominierter Norden, die von Moskau unterstützte Nordallianz auf der einen Seite, die den Aufstand tragenden Paschtunen im Süden auf der anderen Seite, mit sicheren Rückzugs- und Rekrutierungsgebieten beiderseits der afghanisch-pakistanischen Grenze.
Die geplante Machtteilung zwischen Musharraf und Bhutto sollte diesem Zustand ein Ende setzen. Über die Erfolgsaussichten konnte man streiten. Aber die Aussichten nach Bhuttos Tod sind eher katastrophal. Musharraf wird sich nun als alleiniger "Garant der Stabilität" präsentieren - und der Westen wird ihn wohl oder übel als solchen akzeptieren müssen, weil ihm jede Alternative fehlt. Doch was ist damit am Ende gewonnen?