Nach der Post wollen jetzt alle den Mindestlohn

Zu niedrige Löhne gefallen auch einigen CDU-Politikern nicht mehr. Weitere Branchen wollen ebenfalls Lohn-Untergrenzen für sich.

<strong>Berlin. Über den Mindestlohn ist im zu Ende gehenden Jahr ungefähr alles von ungefähr allen bereits gesagt worden - von manchen im Laufe der letzten Monate allerdings recht Unterschiedliches. Der Widerstand der CDU gegen einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn wird brüchig, weil gerade dieser Widerstand den Mindestlohn in die Höhe getrieben hat. In den frühen Verhandlungen argumentierte auch der inzwischen zurückgetretene Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) noch mit Löhnen von etwa 6,50 Euro in der Stunde. Inzwischen hat sich die SPD der Mindestforderung der Gewerkschaften angeschlossen und verlangt 7,50 Euro - mindestens und für alle. Wenige politische Themen haben in der öffentlichen Diskussion 2007 eine solche Eigendynamik entfaltet wie der Mindestlohn. In Umfragen sprachen sich bis zu 75 Prozent der Befragten dafür aus. Neben Gewerkschaften SPD, Grünen, und Linkspartei fordern Wohlfahrtsverbände, Wirtschaftsexperten, Kirchenvertreter sowie mehr und mehr Arbeitgeber die Einführung von Mindestlöhnen. Seit die CDU spät am Beispiel Post begriffen hat, dass sich die Mindestlöhne aus ihrer Sicht erstens wie ein nicht zu löschender Flächenbrand ausbreiten, und dass zweitens auch die Höhe der Flammen kaum kontrollierbar zu sein scheint, haben sich schon manche öffentlich darüber geärgert, dass man nicht gleich einer gesetzlich vereinbarten festen Lohnuntergrenze zugestimmt habe. Der Chef des Wirtschaftsrates der Union, Kurt Lauk, beispielsweise hat sich so geäußert, und auch der Wirtschaftsexperte Friedrich Merz: "Da wäre es fast besser gewesen, am Anfang des Jahres einen einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn festzulegen."

Arbeitnehmer-Bezahlung als Wahlkampf-Thema

Die Ausweitung des Mindestlohns auf Branche um Branche hat sich als Segen für SPD erwiesen, weil sie die Union immer wieder aufs Neue vorführen kann, was die Union aus demselben Grund als Fluch empfindet. In den Wahlkämpfen in Niedersachsen, Hessen und Hamburg spielt der Mindestlohn eine zentrale Rolle, weshalb der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) über Weihnachten seine frühere Haltung differenzierte: "Auch wir Christdemokraten sind für Mindestlöhne." Grundsätzlich sollten Löhne zwar von Gewerkschaften und Arbeitgebern ausgehandelt werden, aber wenn die Gewerkschaften Branchen nicht zureichend durchdringen könnten, solle die Politik eingreifen. Wulff plagen im Angesicht der Wahlen zwar weniger Verlustängste als seinen Kollegen in Hessen, aber sicher ist sicher. Roland Koch versucht, gegen die Unterschriftenkampagne der hessischen SPD für den Mindestlohn differenziert anzugehen. "Absolut inakzeptabel niedrige Löhne" wolle die Union ausschließen, "aber wir wollen sicherstellen, dass der Staat nicht zum Schiedsrichter über Lohnverhandlungen wird".

Allerdings unterlaufen immer mehr Arbeitgeberverbände die ohnehin nicht mehr einheitliche Argumentation der Union. So wie die Post, die gegen die Mitbewerber einen Mindestlohn von 9,80 Euro für die Briefzusteller im Westen und 9 Euro im Osten durchgesetzt hat, wollen auch andere Verbände über die Mindestlöhne die Konkurrenz schwächen. Sie wollen ihre Unternehmen vor dem Wettbewerb über niedrige Löhne schützen.

Aktuell fordern Vertreter der Branchen Zeitarbeit, Wachdienste und Müllbeseitigung Mindestlöhne.