Bomben-Massaker in Algier

Terror: Bei Anschlägen sterben Dutzende Menschen. Drahtzieher soll El Kaida sein.

Algier. Rauchende Trümmerberge auf den Straßen, zerstörte Häuserfronten, brennende Autos, ein Bus mit Studenten, der in Flammen steht - Schreie, Blut, Panik, Tote. Kurz vor zehn Uhr morgens brach gestern in der algerischen Hauptstadt Algier, in der drei Millionen Menschen leben, das Grauen aus. Nach offiziellen Angaben starben 22 Menschen bei den beiden Anschlägen. In anderen Quellen war von mehr als 60 Toten die Rede.

Ein vermutlich islamistischer Kamikazebomber, der in einem Auto voller Dynamit herangerast war, hatte vor dem Verfassungsgericht im Stadtteil Ben Aknoun auf den Zündknopf gedrückt. In der Nachbarschaft befinden sich etliche Ministerien. Ein Autobus, der Studenten zur Universität bringe sollte, fuhr gerade vorbei. Viele der jungen Männer und Frauen in dem Bus starben.

Minuten später, als schon eine dicke Rauchsäule über der Stadt stand, erfolgte das zweite Attentat. Es galt jenem Gebäude im Diplomaten-Stadtteil Hydra, in dem die Vereinten Nationen einige ihrer Büros untergebracht hat. Etwa jenes des UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR oder des UN-Entwicklungsprogramms. In dem eigentlich gut bewachten Viertel haben viele Botschaften ihren Sitz, Hunderte Ausländer wohnen in Hydra.

Die Lage war auch gestern Nachmittag weiter chaotisch, die Angaben blieben widersprüchlich. Polizisten und Feuerwehrmänner suchten unter Gebäudetrümmern weiter nach Vermissten. Ein algerischer Fahrer des UNHCR wurde getötet, meldete die Organisation. Ein weiterer Mitarbeiter sei verschwunden. Später wurde aus Algier gemeldet, dass insgesamt sogar zehn UN-Mitarbeiter tot sein sollen.

Dutzende Menschen, darunter auch Ausländer, wurden schwer verletzt. Innenminister Yazid Zerhouni bestätigte, dass "Selbstmordattentäter" die Bomben zündete. Die Behörden rechneten damit, dass die Zahl der Opfer noch steigen könnte.

Der 11. Dezember 2007 geht in die Terrorgeschichte als einer der schlimmsten Tage ein, den Algier in den 15 Jahren des Konfliktes zwischen fanatischen Islamisten und dem Staat erlebt hat. Schon einmal schlugen islamistische Terroristen dieses Jahr am 11. eines Monats zu. Durch zwei Autobomben, eine davon explodierte vor dem Regierungspalast, wurden am 11. April mindestens 33 Menschen in den Tod gerissen. Die Terror-Organisation "El Kaida im Maghreb" hatte sich damals bekannt.

Dann erzitterte Algerien erneut im September vor "El Kaida": Am 6. September bombten islamistische Attentäter gegen den algerischen Präsidenten Abdelaziz Bouteflika. Der Staatschef blieb unverletzt, 22 Menschen starben. Drei Tage später raste ein Kamikaze-Terrorist mit seinem Bombenwagen in eine Kaserne in Dellys, etwa 100 Kilometer östlich von Algier. 31 Soldaten kamen ums Leben. Der Selbstmord-Attentäter war ein 15-Jähriger. Zudem gab es im Laufe des Jahres Dutzende kleinere Anschläge gegen Algeriens Sicherheitskräfte ebenfalls mit vielen Toten.

Es gibt wenig Zweifel, dass Osama bin Ladens nordafrikanischer Terrorarm "El Kaida im Maghreb" hinter dieser jüngsten Wahnsinnstat steckt. Dabei besorgt die Sicherheitsbehörden, dass diese neu formierte Gotteskrieger-Bewegung zunehmend aktiv ist, für Terrorangriffe in Marokko, Algerien und Tunesien verantwortlich gemacht wird. Stoßtrupps werden, wie die Geheimdienste wissen, übers Mittelmeer Richtung Europa in Bewegung setzt. Umso wichtiger ist, dass die gerade erst besiegelte neue Partnerschaft zwischen Europa und Afrika mehr als bloße Rhetorik ist. Und dass die Zusammenarbeit im Kampf gegen den Terror und gegen seine Ursachen Fortschritte macht.