Bomben und Betrug: Afghanistan hat gewählt
Nicht einmal jeder Zweite beteiligte sich an der Abstimmung für ein neues Parlament.
Neu Delhi. Nach der Schließung der Wahllokale zog die afghanische Regierung am Samstagabend eine blutige Bilanz. Mehr als 300 gewaltsame Zwischenfälle hatte sie am Tag der Parlamentswahl verzeichnet. Dutzende Menschen kamen ums Leben, mehr als 100 wurden verletzt. Nicht nur Anschläge der Taliban prägten erneut eine Abstimmung in Afghanistan. Wie schon bei der Präsidentschaftswahl 2009 kritisierten Wahlbeobachter massive Unregelmäßigkeiten.
Das ganz Ausmaß des Wahlbetrugs wird - wenn überhaupt - erst in den kommenden Wochen klar werden. Erste Meldungen der "Free and Fair Election Foundation of Afghanistan" (Fefa), die am Wahltag mit 7000 Mitarbeitern die meisten Beobachter stellte, lassen nichts Gutes ahnen. Die Fefa fand so viele Mängel bei der Abstimmung, dass sie sich "ernste Sorgen über die Qualität der Wahl" macht.
Die unabhängigen Beobachter kritisierten unter anderem, Regierungsbeamte hätten den Wahlprozess zugunsten bestimmter Kandidaten beeinflusst. Das Parlament hatte Präsident Hamid Karsai in der Vergangenheit mehrfach die Stirn geboten. Karsai wird daran gelegen sein, möglichst viele seiner Anhänger in der neuen Volksvertretung begrüßen zu können.
Die Fefa-Beobachter bemängelten auch die Tinte, mit der die Fingernägel von Wählern markiert wurden: Sie sollte nicht abwaschbar sein, konnte in vielen Fällen aber nach der Stimmabgabe dennoch abgewischt werden.
Die Zahl der ausgegebenen Wahlausweise übersteigt die der Wahlberechtigten um Millionen. Auch die Wahlbeteiligung lässt kaum darauf hoffen, dass das Parlament repräsentativ sein wird. Selbst wenn man der fragwürdigen Rechnung der Wahlkommission folgt, ging nicht einmal jeder Zweite zur Wahl.
Viele Afghanen hatten Angst davor, dass die Taliban ihre Drohungen, die Wahl anzugreifen, wahr machen würden - zu recht. Die Wahlkommission zählte alleine 93 Angriffe auf die insgesamt 5334 geöffneten Wahllokale. Mehr als 1400 weitere Wahllokale blieben wegen der schlechten Sicherheitslage gleich ganz geschlossen.