Brutale Jugendliche: Warum schlagen sie zu?

Experten sprechen von Ausgeschlossenen, die sich an der Welt rächen wollen.

Karlsruhe. Mit Schlägen und Tritten ist Dominik Brunner vor anderthalb Monaten in einer Münchner S-Bahn-Station von zwei Jugendlichen zu Tode geprügelt worden, weil er eine Gruppe von Kindern schützen wollte.

Ganz Deutschland war geschockt und ratlos. Wenn selbst Zivilcourage lebensgefährlich ist: Wer soll die jungen Gewalttäter noch stoppen?

Denn was Experten längst wissen, beginnt nun auch die breite Öffentlichkeit zu ahnen: Höhere Jugendstrafen und mehr Videokameras werden das Übel nicht aus der Welt schaffen; dass sich dadurch junge Exzessivtäter abschrecken lassen, glaubt wohl kaum jemand.

Ob die Jugendgewalt wirklich zugenommen hat, darüber sind sich die Fachleute nicht ganz einig. Die Zahlen der jüngsten Kriminalstatistik verzeichneten einen leichten Rückgang. Doch langfristig, so meint beispielsweise der Bremer Staatsanwalt Daniel Heinke, habe die Jugendgewalt zugenommen. Einigkeit herrscht aber unter den Experten darüber, dass herkömmliche Erklärungsversuche zu kurz greifen.

Der Soziologe Heinz Bude spricht von den "Ausgeschlossenen". Junge Männer fallen aus der Arbeitsgesellschaft heraus, weil sie die Jobs nicht bekommen, die sie wollen. Und die Jobs nicht wollen, die sie bekommen. "Sie treten als geheiligte Zornkollektive auf, die auf Rache an einer Welt sinnen, die ihnen die Bedeutung verweigert", schreibt Bude.

Männlichkeitsmythos und übersteigerter Ehrbegriff: Nach Erkenntnissen von Daniel Heinke liegt dort eine Wurzel für die unglaubliche Brutalität, mit der bestimmte Jungmänner-Cliquen, oft unter Alkoholeinfluss, auf den geringsten Anlass reagieren. "Sie verteidigen das, was sie noch haben, nämlich ihr Verständnis von Männlichkeit", sagt Heinke. Dabei geht es um den Rang in der Clique: "Wer seinen Platz in der Gruppe behalten will, muss vermeintlichen Ehrverletzungen gewaltsam entgegentreten."

Joachim Kersten, Soziologe an der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster, spricht sogar vom "Spaß und Kick", den die Gewalt vermittelt. "Die Tat gilt als cool, gar als gerecht, weil das Opfer diskriminiert oder verweiblicht wird." Die Erniedrigung bringe einen "Zuwachs an maskuliner Bestätigung", schreibt der Professor in einem Aufsatz. "Gerade wenn sozialer Status und Perspektive, Bildung und andere Ressourcen fehlen, hat Gewalt Sinn und macht Spaß."