Der SPD-Chaostag am Schwielowsee
Machtkampf: Putsch oder Befreiungsschlag? Beck muss gehen, und Steinmeier will es mit Müntefering schaffen.
Schwielowsee. Kurt Beck verlässt die SPD-Klausur durch die Hintertür. Sein Auftritt vor der Presse entfällt. Vor der Partei- und Fraktionsspitze, die sich am Schwielowsee in Brandenburg versammelt hat, spricht Beck gerade einmal zehn Minuten lang. Eine Erklärung, warum er so plötzlich vom Amt des Parteivorsitzenden zurücktritt, liefert Beck schriftlich nach.
"Der Tag ist anders verlaufen, als wir geplant hatten", sagt Frank-Walter Steinmeier, dessen Krönungszeremonie zur Kanzlerkandidatur vom Rücktritt des Vorsitzenden überschattet wird. Vom SPD-Wahlprogramm, das Beck und Steinmeier eigentlich präsentieren wollten, ist keine Rede mehr. Stattdessen machen Putsch-Gerüchte die Runde. Und Beck selbst nährt wenig später in seiner schriftlichen Erklärung mit dem Hinweis auf "gezielte Falschinformationen" diese Deutung.
Viele Indizien deuten auf einen offenen Machtkampf hin. Während die Spitzengenossen im "Event Center" des Seehotels auf Beck und Steinmeier warten, versammelt sich der engste Führungskreis zu einem Geheimtreffen. SPD-Fraktionschef Peter Struck erhält die Information von der Krisensitzung erst mit Verspätung, da er auf dem Motorrad anreist.
Das Treffen mit Becks Stellvertretern Steinmeier, Peer Steinbrück, Andrea Nahles sowie Generalsekretär Hubertus Heil findet in einem Landhaus rund sieben Kilometer vom eigentlich Tagungsort statt. Als Nahles wieder am Schwielowsee eintrifft, ist ihre Miene versteinert.
Schon während der Klausur-Sitzung unter Kronleuchtern sickert durch, dass der ehemalige SPD-Chef Franz Müntefering bei einem Sonderparteitag erneut für den Parteivorsitz kandidieren will. Für den Übergang soll Steinmeier die Partei führen. Eine offizielle Bestätigung gibt es zunächst nicht. Eine für den frühen Nachmittag geplante Pressekonferenz verschiebt sich immer weiter nach hinten.
Steinmeier will entschlossen und gelassen wirken, als er gemeinsam mit Hubertus Heil am späten Nachmittag ans Rednerpult tritt. "So, sind wir soweit?", fragt Steinmeier lässig vor der Seekulisse, bevor er seine Erklärung zur Lage der SPD abgibt. Er sei bereit, die Partei in den Wahlkampf zu führen. Nun müsse es darum gehen, die Kämpfe der Parteiflügel zu beenden. Steinmeier selbst hat den ehemaligen SPD-Chef erneut für den Vorsitz vorgeschlagen.
Klaas Hübner bleibt nach der Klausur noch ein paar Minuten länger, um mit den seit Stunden wartenden Journalisten zu sprechen. Der Sprecher des konservativen "Seeheimer Kreises" in der SPD sagt, er sei mit der Erwartung nach Brandenburg gereist, dass Steinmeier zum Kanzlerkandidaten gekürt werde. "Und dann gab’s diese kleine Überraschung." Von einem "Putsch" könne jedoch keine Rede sein.
Der ostdeutsche SPD-Politiker Jens Bullerjahn antwortet ausweichender auf Fragen nach einem Putsch. Die geschichtliche Aufarbeitung sei immer schwierig, sagt er. Immer heiße es: "Keiner war es jetzt."
Er habe Beck vom Rücktritt abgeraten, sagt Peter Struck und setzt eine grimmige Miene auf. Es habe "Stichwortgeber aus den eigenen Reihen gegeben" - und zwar mit der Absicht, Beck zu diskreditieren. Mehr will Struck nicht sagen. Er geht zu seiner BMW-Maschine, setzt seinen Motorradhelm auf und rauscht davon.