Der unheimliche Aufstieg des Karl-Theodor zu Guttenberg

Warum der Wirtschaftsminister selbst Kanzlerin Merkel den Rang abläuft. Eine Analyse.

Berlin. Karl-Theodor zu Guttenberg hat weder die Wirtschaftskrise bezwungen noch den Grand Prix d’Eurovision gewonnen. Er hat keinen Friedensnobelpreis errungen und kein Eisbärbaby großgezogen. Eigentlich hat er nichts vollbracht, das seine außergewöhnliche Popularität schlüssig erklären könnte.

Oder doch? Während der Verhandlungen über Opel bot Guttenberg seinen Rücktritt an, weil er eine geordnete Insolvenz dem staatlichen Eingriff vorzieht. Inmitten einer Weltkrise von Rücktritt zu sprechen, wenn man keine vier Monate lang (als Außenpolitiker) das Wirtschaftsministerium leitet, ist eine gefährliche Übung.

Normalerweise wird einem Politiker, der so etwas tut, umstandslos Nervenschwäche bescheinigt. Aber sogar die Bereitschaft, das Amt gleich wieder zu verlassen, machte den Baron bloß beliebter. Inzwischen hat der 37-jährige Christsoziale dem ZDF-Politbarometer zufolge Angela Merkel hinter sich gelassen.

KT, wie der Inhaber von zehn Vornamen auch genannt wird, muss die Bewunderung, die er hervorruft, in diesem Ausmaß nicht unbedingt verdient haben. Das Ausmaß selbst ist ein interessantes Phänomen. Menschen wollen ihn großartig finden.

Als Projektionsfläche für Erwartungen ist Guttenberg qualifiziert: aus adligem Hause stammend, hoch gebildet, schwer vermögend und optisch nur durch zuviel Gel im Haar beeinträchtigt. Allerdings hätte er leicht auch negative Erwartungen auf sich ziehen können: dünkelhaft, von seinen Verhältnissen verwöhnt.

Dass ihm nichts dergleichen nachgesagt wird, muss schließlich doch etwas mit seiner Persönlichkeit zu tun haben. Die Möglichkeit eines Rücktritts zu einem unmöglichen Zeitpunkt sollte dabei nicht unterschätzt werden.

Sein Vater Enoch, der Dirigent, hat in der "Süddeutschen Zeitung" eine fast beängstigende Begründung gegeben: "Wir sind so erzogen worden, dass man für das, was man für richtig hält, zur Not auch sterben können muss." Das sei das Familienideal. "Und das schafft fast einen Zwang zur Unabhängigkeit."

Wegen seines Widerstands gegen Hitler saß Karl-Theodors Großvater Karl Theodor im KZ, und dessen Onkel Karl Ludwig wurde als Verschwörer des 20. Juli hingerichtet. Enoch zu Guttenberg zeigte sich fest überzeugt von KTs festen Überzeugungen. Der täte nichts nur um der Macht willen. "Da ist der viel zu souverän."

Diesen Eindruck scheint der Minister glaubhaft zu vermitteln, wenn er seinem Vorsitzenden Horst Seehofer im Fall Quelle widerspricht und sich dessen Einschüchterungsversuchen lässig entzieht. In Zeiten, in denen Politiker unter dem Generalverdacht leben, sich bei jeder Gelegenheit der machtorientierten Parteitaktik unterzuordnen, haftet Guttenberg das Image des furchtlosen Freidenkers an.