Ein Urteil, das Enthüllerabschrecken soll

Schuldspruch für US-Soldat Manning wegen Geheimnisverrats sorgt für Aufregung.

Washington. Harmlos wirkte der kleine Bradley Manning, als er von stämmigen Soldaten in den Gerichtssaal eskortiert wurde. Mit jungenhaftem Lächeln spazierte der 25-Jährige zwischen einem halben Dutzend kräftiger Soldaten seinem Schuldspruch entgegen. Irgendwie schien alles zu groß zu sein für den schmächtigen Obergefreiten — so auch die gewaltige Menge an vertraulichen Dokumenten, die er enthüllt hat und die ihn nun hinter Gitter bringen könnten.

Doch nicht nur für Manning dürfte der Schuldspruch weitreichende Folgen haben. Weltweit fand das Militärverfahren Beachtung, viele Juristen und Journalisten warnten vor der einschüchternden Wirkung des Richterspruchs — allen voran für Whistleblower, wie die Enthüller genannt werden, die oft streng vertrauliche Informationen ans Licht bringen.

Der lange Arm der US-Justiz dürfte sich damit noch etwas weiter nach Wikileaks-Chef Julian Assange ausgestreckt haben. Dass Assange bald als „Mitverschwörer“ auf der Anklagebank sitzen könnte, vermutet jedenfalls dessen Anwalt Michael Ratner. Und auch Edward Snowden, der von den USA wegen Geheimnisverrats gejagt wird, dürfte bei einem Prozess als Spion angeklagt werden, so Beobachter.

Doch hinter dem Trio Assange, Manning, Snowden, das im Fokus des medialen Interesses steht, folgen in zweiter und dritter Reihe weitere Enthüller, die zwar im kleineren Stil Informationen öffentlich machten, aber durch den Schuldspruch dennoch abgeschreckt sein dürften.

Die Juristen Floyd Abrams und Yochai Benkler warnen in einem Gastbeitrag für die „New York Times“ vor der abschreckenden Wirkung des Manning-Schuldspruchs für Enthüller, Informanten und den investigativen Journalismus: „Wer die Pressefreiheit schätzt, sollte zittern angesichts der Gefahr, die die Theorie der Staatsanwaltschaft für Journalisten, deren Informanten und die darauf angewiesene Öffentlichkeit darstellt.“

Nicht nur beim Whistleblowing im großen Stil könnten weitreichende Konsequenzen drohen, fürchten Abrams und Benkler. Stattdessen könnte jede Weitergabe von Dokumenten, die die nationale Sicherheit der USA betreffen, die Todesstrafe oder lebenslange Haft nach sich ziehen. Die Juristen: „Wir dürfen nicht zulassen, dass unsere Terrorismusängste uns in ein Land verwandeln, wo die Kommunikation mit der Presse als Kapitalverbrechen verfolgt werden kann.“