Erlösung durch die Zwangsanleihe?
Im Prinzip ist eine Reichensteuer machbar. Aber die rechtlichen Hürden sind so hoch, dass wir besser die Finger davon lassen.
Düsseldorf. In der Not, das wissen wir, sucht der Mensch nach Erlösung. Und wenn der Staat in Not gerät, verhält er sich nicht anders. So werden in der Krise die Rufe nach unkonventionellen Methoden lauter. Erst die Konsum-Gutscheine - das haben wir jetzt wohl schon abgearbeitet - und nun die Zwangsanleihe.
Die IG Metall fordert sie, die IG Bau und die Linke. Und nun auch der hessische SPD-Spitzenkandidat Schäfer-Gümbel. Die Begründung ist einsichtig: Während der Staat wegen klammer Kassen seinen Aufgaben kaum noch angemessen nachkommt, hat das Privatvermögen in der Bundesrepublik - wenn auch nicht unbedingt einer von jedermann einsehbaren Gerechtigkeit verpflichtet - Rekordhöhen erreicht.
Weshalb Schäfer-Gümbel Privatvermögen ab einer Höhe von 750 000 Euro mit einer Zwangsanleihe von zwei Prozent belasten will, gewährt auf 15 Jahre und verzinst mit 2,5 Prozent.
Da könnte eine Menge zusammenkommen - und auch zurückgezahlt werden müssen. Aber geht das überhaupt? Im Grundsatz ja. "Die Auferlegung von Zwangsanleihen zur Befriedigung des allgemeinen staatlichen Finanzbedarfs (steht) nicht außerhalb möglicher staatlicher Befugnisse", hatte das Bundesverfassungsgericht im Jahr 1984 erklärt - und zugleich eine solche von der Regierung Kohl im Jahr 1983 im Investitionshilfegesetz als "Ergänzungsabgabe" deklarierte Zwangsanleihe als verfassungswidrig gekippt. Die Sache hat also ihre Hürden.
Das Kohlsche Gesetz hatte "zur Förderung des Wohnungsbaus" eine "Ergänzungsabgabe" von fünf Prozent auf die Einkommenssteuerschuld erhoben. Die Zwangsanleihe - denn das war es tatsächlich - sollte nach acht Jahren unverzinst zurückgezahlt werden. Dieses Gesetz kassierten die Richter im Urteil von 1984.
Zwar hatte das Bundesverfassungsgericht 1952 entschieden, dass das damalige Investitionsförderungsgesetz der Regierung Adenauer verfassungskonform gewesen sei, weil es "wirtschaftsregulierend oder -regelnd" wirke. Das treffe aber bei Kohls Gesetz nicht zu, so die Richter 1984: Dessen Zweck sei auch nicht die Förderung des Wohnungsbaus selbst, "sondern nur die vorübergehende Gewinnung von zweckgebundenen Mitteln für den Finanzbedarf des Bundes". Und es fehle auch der spezifische Bezug zwischen Abgabepflichtigen und dem Zweck der Abgabe.
Die Bundesregierung hatte in Karlsruhe argumentiert, der Artikel 115 des Grundgesetzes, der die Kreditaufnahme des Bundes regelt, biete eine Rechtsgrundlage für Zwangsabgaben. Die Richter ließen das in ihrer Entscheidung ausdrücklich offen, setzten zugleich aber deutliche Fragezeichen und erörterten ausführlich das Problem dieser "rückzahlbaren Steuern".
Denn um nichts anderes handelt es sich bei einer Zwangsanleihe. Zwar gebe es zwischen Steuern und Zwangsabgaben einen engen sachlichen Zusammenhang, so die Richter 1984. Aber beide Komplexe seien auch deutlich verschieden.
Denn die Einnahmen einer Zwangsanleihe gehören nicht zu den Steuern im engeren Sinne, sondern müssen haushaltsmäßig als Kredite angesehen werden. Die Richter lassen Zweifel anklingen, ob Zwangsanleihen nicht die Geschlossenheit des Steuer- und Finanzsystems gefährden und schlagen eine "allgemeine Erweiterung des Steuerbegriffs" vor. Der Gesetzgeber solle dafür die "notwendigen verfassungs- und finanzpolitischen Regelungen" treffen.
Im Klartext: Zwangsanleihen, wie von Gewerkschaften oder Schäfer-Gümbel gefordert, sind zwar innerhalb unserer Rechtsordnung grundsätzlich machbar, ihnen fehlt aber möglicherweise derzeit eine tragfähige gesetzliche Basis. Um eine Zwangsanleihe gegen die zu erwartenden Klagen gerichtsfest zu machen, ist also - will man nicht scheitern wie seinerzeit Kohl - möglicherweise eine Grundgesetzänderung nötig.
Die ist nicht ohne die Länder zu haben und würde die gesamte schwierige Finanzaufteilung zwischen Bund und Ländern in Frage stellen. Und das erklärt wohl auch, warum die einfache Lösung Zwangsanleihe am Ende ebenso schnell wieder aus der politischen Diskussion verschwinden wird wie die Konsum-Gutscheine.