Richter rebelliert gegen milde Strafen

Der Handel zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigern beim „Hells Angels“-Prozess hat ein Nachspiel: Richter und Staatsanwalt sind von einem Kollegen angezeigt worden.

Stadthagen/ Rinteln. Das rasche Ende des "Hells Angels"-Prozesses in Hannover hat ein juristisches Nachspiel: Ein Amtsrichter aus Rinteln (Niedersachsen) hat Strafanzeige wegen Strafvereitlung im Amt und Rechtsbeugung gegen einen beteiligten Richter und den Staatsanwalt erstattet. Die Generalstaatsanwaltschaft in Celle bestätigte den Eingang der Anzeige.

14 Rocker aus Bremen waren nach einem brutalen Überfall auf das Vereinsheim der verfeindeten "Bandidos" wegen Körperverletzung und Raubes angeklagt.

Nach nur zwei Verhandlungstagen ging der Prozess am vergangenen Dienstag überraschend zu Ende, weil sich die Beteiligten am Landgericht Hannover auf einen Handel geeinigt hatten: Die Angeklagten gaben den Überfall zu, im Gegenzug ließ die Staatsanwaltschaft den Vorwurf des schweren Raubes fallen.

Elf Angeklagte erhielten daraufhin Bewährungsstrafen, nur drei Männer wurden zu Haftstrafen von mehr als zwei Jahren verurteilt.

Das milde Urteil stieß in den Medien überwiegend auf Kritik. Während der Verhandlung war detailliert erläutert worden, dass die fünf Opfer mit Axtstielen äußerst brutal verprügelt und gefesselt worden waren. Sie hatten alle schwere Verletzungen erlitten. Allerdings hatte die Anklage nur einen Kronzeugen für die Tat, der vor Gericht zunächst schwieg.

Der Rintelner Amtsrichter bezeichnete die zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung getroffene Vereinbarung gegenüber den "Schaumburger Nachrichten" nun als "rechtswidrigen, ja kriminellen Deal".

Die Strafen seien nur so mild ausgefallen, weil die Anklage den Vorwurf des schweren Raubes fallen gelassen hatte. Das sei aber nur erlaubt, wenn dieses Delikt bei der Strafe nicht ins Gewicht fallen würde. "Davon kann hier nicht die Rede sein", kritisierte der Richter.

Er erhob schwere Vorwürfe gegen solche Absprachen allgemein. Diese würden das Schuldprinzip untergraben und meistens nur aus Gründen der Arbeitsersparnis angewandt.

Der Richter hatte bei der Urteilsverkündung in Hannover erklärt, der Raubvorwurf habe von Anfang an "auf tönernen Füßen" gestanden. Zwar hätten die Angeklagten einen Computer, Vereinsembleme, Aufnäher, einen Gürtel sowie eine Geldbörse mit "Bandidos"-Aufdruck gestohlen. "Keiner der Angeklagten hatte aber ein Interesse daran, sich einen ,Bandidos’-Aufnäher auf die Kutte zu machen."

Für die Sicherheitskräfte am Landgericht in Hannover, viele Polizisten, und die Staatskasse ist die schnelle Einigung freilich eine Entlastung: An beiden Prozesstagen musste ein riesiger logistischer Aufwand betrieben werden, um eine Konfrontation zwischen Anhängern der "Hells Angels" und der "Bandidos" zu verhindern. Rund um das Gericht und im Verhandlungssaal waren zig Polizisten im Einsatz.

Die Zugangskontrollen waren verschärft worden. Selbst Autobahnen wurden beobachtet, um sich auf eine eventuelle Anreise von Motorrad-Rockern vorbereiten zu können. Dieser Aufwand hätte wohl an jedem Prozesstag erneut betrieben werden müssen.