Glanzloser Start nach holprigen Verhandlungen
Kanzlerin Merkel erhält bei ihrer Wiederwahl einen Dämpfer aus den eigenen Reihen.
Berlin. Sie ist wieder Kanzlerin. Um 10.58Uhr erfährt Angela Merkel, dass sie eine sichere Mehrheit bekommen hat. Doch glanzvoll ist der Start nicht. Mindestens neun Stimmen aus dem schwarz-gelben Koalitionslager fehlen der CDU-Chefin. Das Resultat passt zu den holprigen Koalitionsverhandlungen von Union und FDP. Es kündigt sich eine schwierige Wahlperiode an.
Diesmal wird ihr das Ergebnis nicht per SMS wie vor vier Jahren übermittelt. Es wird ihr zugeflüstert. Merkel steht mit Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) zusammen, als der Chef der Zählkommission, Hans-Joachim Fuchtel, eilig auf sie zukommt. Er sagt kurz etwas. Merkel nickt. Sie ist durch.
Kurz danach teilt Bundestagspräsident Norbert Lammert offiziell das Ergebnis mit. "Mit Ja haben gestimmt 323 Mitglieder des Hauses." Der Applaus unterbricht ihn. Im Fußball würde man sagen: Es ist ein Routinesieg, nur die Punkte sind wichtig. Diese 323 Stimmen sind deutlich weniger als die 332 Sitze, die Union und FDP zusammen haben. Und die meisten im Plenarsaal wissen das natürlich sofort, als Lammert die Zahl nennt. Merkel wirkt dennoch erleichtert: "Herr Präsident! Ich nehme die Wahl an und bedanke mich für das Vertrauen." Dann folgen Gratulationen.
Merkel ist stolz. Als sie vereidigt wird, hat sie erstmals in der Öffentlichkeit das Bundesverdienstkreuz angelegt, das sie 2008 verliehen bekommen hat. Beim Sprechen der Eidesformel vergisst sie die Hand zu heben. Lammert stellt aber fest, dass der Eid dennoch abgegeben sei.
Der neue Innenminister Thomas de Maizière (CDU) sagt zu den fehlenden Stimmen aus dem eigenen Lager, dass so etwas bei "einer so großen Gruppe" immer passieren könne. In der Tat hat es solche Kanzlerwahl-Resultate immer gegeben. Beim letzten Mal hatte Merkel sogar 51 Stimmen weniger erhalten als die Große Koalition Mandate hatte. Auch Helmut Kohl sei es nach 1990 schlechter ergangen, sagen Unions-Leute. Andere erinnern daran, dass die schwarz-gelbe Mehrheit offenbar zu groß sei. Das verleite immer Unzufriedene dazu, Denkzettel zu erteilen.
Die Besuchertribüne ist im Vergleich zu 2005, als Merkel als erste Frau zur Kanzlerin gewählt wurde, dünn besetzt. Merkels Eltern, Herlinde und Horst Kastner haben Platz genommen. Ihr Mann, Joachim Sauer, ist wie vor vier Jahren nicht gekommen. Er verbringt den Tag in seinem Uni-Büro. Dafür sitzt Michael Mronz, Lebensgefährte von Außenminister Guido Westerwelle (FDP), auf der Tribüne.