Grüne trommeln und jubeln

Wahlparty: Die Partei feiert den Wahlerfolg und richtet direkt selbstbewusste Botschaften an ihren Wunschpartner SPD.

Düsseldorf. Julia kann selbst nicht richtig glauben, welche positive Prognose sie gerade wagt: "Ich rechne mit etwas mehr als zwölf Prozent", sagt die 22-jährige Studentin mit dem grünen Wahlkampfshirt und der dicken braunen Sonnenbrille. Doch so richtig überzeugt klingt sie nicht, da helfen auch die beschwörenden Klänge der Trommlerkombo vor der Tür der Wahlparty am Rheinufer nicht wirklich weiter. Es ist 17.30 Uhr, noch eine halbe Stunde bis zur Prognose.

Als Jörg Schönenborn in der ARD 30 Minuten später die ersten Zahlen verkündet, kennt der Jubel im dichten Gedränge des Gebäudes keine Grenzen: 12,5Prozent, das beste Ergebnis aller Zeiten für die Grünen in Nordrhein-Westfalen. Während sich vorne im Scheinwerferlicht der Kameras die Landesspitze um Spitzenkandidatin Sylvia Löhrmann in den Armen liegt, traut Hermann Pöhling dem Braten noch nicht. Der Grünen-Ratsherr aus Ratingen mahnt zur Zurückhaltung: "Mal schauen, was nachher wirklich ist. Das ist nur eine Prognose." Nur eines steht für ihn in diesem Moment fest: "Schwarz-Grün ist damit wohl raus", sagt Pöhling und klingt sogar ein klein wenig enttäuscht: "Das wäre mal was Neues gewesen."

Als die Prognosen durch die ersten Hochrechnungen bestätigt werden und zudem eine rot-grüne Mehrheit möglich scheint, trudelt nach und nach auch die Bundesspitze der Partei zur Party ein. "Ich hatte auf ein zweistelliges Ergebnis gehofft. Dass wir uns im Vergleich zur vergangenen Wahl verdoppelt haben, ist grandios", sagt Volker Beck, parlamentarischer Geschäftsführer der Bundestagsfraktion. Im Gegensatz zu Pöhling ist er froh, dass Schwarz-Grün zu diesem Zeitpunkt Makulatur zu sein scheint: "Die Wähler haben das nicht zur Debatte gestellt. Das tut mir nicht besonders weh."

Drinnen wendet sich derweil Sylvia Löhrmann an ihre Parteifreunde: "Wir sind mit dickem Abstand dritte Kraft, und Schwarz-Gelb ist weg." Ihre weiteren Worte gehen im Jubel der euphorischen Wahlhelfer unter. Doch ihre selbstbewussten Worte in Richtung des Wunschpartners SPD sind kurz darauf wieder deutlich zu vernehmen: "Wir sind stolz darauf, dass wir die Königsmacher für NRW sind."

Bundesparteichef Cem Özdemir wird noch deutlicher: "Wenn es reicht, wird das eine andere Koalition als früher. Hier sind zwei Partner auf Augenhöhe." Von einem rot-grünen Projekt wie noch 1998 ist selbst jetzt, im größten Freudentaumel, keine Rede. Da helfen auch die Trommler vor der Tür nicht, die sich heftig ins Zeug legen, den Regierungswechsel herbei zu trommeln. Eine, die damals dabei war, Bärbel Höhn, hat Besseres zu tun: Sie diktiert übers Handy einem Journalisten ihre Sicht der Dinge in den Block.

Bei Studentin Julia ist zu diesem Zeitpunkt längst alle Anspannung purer Freude gewichen. Inzwischen hat sie richtig Gefallen an Zahlenspielen gefunden: "Über zwölf Prozent, dass sind ein Achtel aller Wählenden. Das ist schon toll." Und fügt hinzu: "Ich hoffe sehr, dass es für Rot-Grün reicht." Und wenn nicht? "Auch egal. Heute kann uns nichts mehr die Stimmung verhageln. Außer, wenn das Bier ausgeht."